Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
selber einzeichnen. Wo? Ganz leicht: überall, wo mehrere Bindungsstriche zusammenkommen, müssen vier Striche abzweigen, sind es nur drei, darf man einen vierten einzeichnen mit einem Wasserstoffatom am Ende.
Was als Erstes auffällt – eine Menge Chlor in diesem Molekül. Tatsächlich ist DDT der einprägsamste Vertreter der von Grünbewegten so heftig gescholtenen Chlorchemie. Das berüchtigte Dioxin enthält ebenfalls einen Haufen Chlor an solchen Sechsecken, ist aber deutlich giftiger als DDT. Der ukrainische Präsident Juschtschenko wird das bestätigen; er wurde mit Dioxin vergiftet und hat nur mit Glück überlebt. Dieselbe Menge DDT hätte überhaupt keine Wirkung erzeugt.
Wie entsteht eine solche Formel? Wie kommt sie in die Welt? Was ist die Absicht, so etwas herzustellen? Der Schweizer Chemiker Paul Hermann Müller erhielt 1948 den Nobelpreis für Medizin für seine Entdeckung, dass DDT Insekten tötet. Wie bitte? Man muss diesen Satz ein wenig wirken lassen: Dieses Komitee vergibt den höchsten Wissenschaftspreis an einen Menschen namens Müller für ein Mittel gegen Mücken? Dabei hat er die Substanz gar nicht selbst – nein, nicht entdeckt , sondern erschaffen. Endecken kann man nur, was in der Natur schon vorkommt. DDT kommt nirgends vor. Nicht auf der Erde, nicht in diesem Teil des Universums. Es muss hergestellt werden. Das tat als Erster der Österreicher Othmar Zeidler im Jahre 1874. Um ein Insektenmittel zu gewinnen? Ach woher! Der damals fünfundzwanzigjährige Zeidler studierte in Straßburg beim berühmten Professor Adolf v. Baeyer und hatte einfach dem Auftrag, im Rahmen seiner Doktorarbeit gewisse Substanzen herzustellen. Natürlich nicht irgendwelche ausgedachte Formeln, sondern die Ergebnisse von Reaktionen, die »vielleicht gehen« … In seinem Fall war das die Reaktion von Chlorbenzol (links) und Chloral (rechts).
Am Chlorbenzol sind an den Ecken noch 5 Wasserstoffatome zu ergänzen, das Chloral ist komplett. Das nackte Sechseck ohne Chlor ist Benzol, das im Steinkohlenteer vorkommt. Mit Chlor entsteht daraus Chlorbenzol, ein weißes Pulver, das nach Mottenkugeln riecht. Es ist giftig. Man verwendet es als Lösungsmittel für Fette, Öle und Harze – als solches darf es mit den Stoffen, die man darin auflösen will, nicht reagieren. Das tut es auch nicht, Chlorbenzol ist ziemlich reaktionsträge . Vielleicht, dachte sich wohl Adolf v. Baeyer, reagiert es aber doch mit einem Partner, der entsprechend reaktionsfreudig ist? Zum Beispiel mit Chloral. Die 3 Chloratome in diesem Molekül machen das zweite Kohlenstoffatom, an dem der Sauerstoff hängt, nämlich richtig »scharf«; sie ziehen ihm Elektronen aus seiner Hülle ab, weshalb es elektrisch positiv wird und sich schleunigst an geeignete Partner anlagert, die irgendwo eine Elektronenwolke herausstehen haben. Das Bestreben geht immer dahin, Ladungen auszugleichen und einen niedrigen Energiezustand zu erreichen – keine getrennten Ladungen, keine Spannungen und so weiter.
Eine solche Elektronenwolke besitzt das sechseckige Chlorbenzolmolekül, man nennt das Ganze dann elektrophile Addition , also »elektronenliebende Anlagerung«, das ist genau, was das positivierte Chloral macht; es »liebt« die Elektronen der Ringmoleküle sogar so sehr, dass es sich an zwei davon anlagert. Der Sauerstoff wird als Wasser abgespalten: Um das zu erreichen, muss man nur ordentlich konzentrierte Schwefelsäure verwenden, damit wären wir auch schon beim Kochrezept: Man mischt Chlorbenzol mit Chloral und Schwefelsäure und rührt kräftig durch. Alles Weitere passiert von allein, sogar so heftig, dass gekühlt werden muss (durch die Zugabe von Eis). Ob das Ganze im Labor oder in der Fabrik stattfindet, macht in diesem speziellen Fall keinen großen Unterschied, man braucht einfach ein säurefestes Gefäß, einen Rührer und Geduld.
Nach acht Stunden hat ein Industrieansatz durchreagiert, das Produkt DDT ist praktischerweise ein Feststoff und lässt sich von der Schwefelsäure abfiltrieren, die Reinigung des Produktes erfolgt durch Standardoperationen, die hier nicht interessieren. Worauf ich mit dieser relativ genauen Schilderung hinauswill: Es ist sozusagen keine Kunst. Auch dem guten Othmar wird die Aufgabe keine schlaflosen Nächte bereitet haben, die Reaktion gelingt auch mit den Labormitteln des 19. Jahrhunderts. Er stellte die Substanz her, reinigte sie, stellte den Schmelzpunkt fest (109 Grad Celsius) und die Summenformel (C 14 H 9 C l5 ),
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