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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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fäkalienverunreinigtes Wasser übertragen, Läuse haben nichts damit zu tun, daher kann man Typhus auch nicht mit Insektiziden bekämpfen).
    DDT wurde in den Kriegsjahren in der Schweiz wie auch von Lizenznehmern in Europa und den USA in großen Mengen hergestellt. Für Geigy war die Substanz eigentlich eine Enttäuschung – es ließen sich nie die hohen Gewinne erzielen, an die eine Feinchemikalienfirma gewohnt war. Immerhin war DDT ein Standbein und brachte so viel Geld ein, dass man die Entwicklung der neuen Unkrautvertilgungsmittel Atrazin und Simazin bezahlen konnte, die dann, anders als DDT, wirkliche Renner wurden.
    Das war auch bitter nötig, denn die Schwächen von DDT erwiesen sich zum Teil schon in den Vierzigerjahren. Bei der Bekämpfung des Maikäfers in der Schweiz war Insektenkundlern aufgefallen, dass DDT nicht nur die Maikäfer umbrachte, sondern auch zahlreiche andere Insekten, wodurch die Artenzusammensetzung massiv beeinflusst wurde. Heute erscheinen diese Zusammenhänge vollkommen trivial, aber damals dachte man noch nicht in ökologischen Zusammenhängen. Ein Insektizid, das eine größere Menge der natürlichen Feinde der Zielinsekten umbringt als diese selbst, ist kontraproduktiv. Das zweite große Fragezeichen des DDT-Einsatzes stand über der Resistenzbildung. Als erste Berichte darüber bei der Herstellerfirma eintrafen, dachte bezeichnenderweise niemand an biologische Ursachen. Man nahm an, bei der Produktion sei etwas schiefgelaufen, unabsichtlich sei ein Produkt mit minderer Wirksamkeit, also mit falscher chemischer Zusammensetzung, ausgeliefert worden. Erst als man sich Proben der neuen resistenten Fliegen besorgt und nachgezüchtet hatte, musste man sich zur Einsicht bequemen, dass es an den Fliegen lag und nicht am Produkt. Was hatten die gemacht?
    Bloß das, was Fliegen immer machen. Fressen und sich vermehren. Mehr ist auch nicht nötig, alles andere besorgt die Evolution. Einige Individuen tragen genetische Abweichungen, die unter normalen Umständen keine Rolle spielen, bei einem Stressfaktor von außen aber wirken: Sie kommen wegen leicht geänderter Biochemie mit dem Gift besser zurecht und überleben. Damit vererben sie die Resistenzgene an alle Nachkommen. Weil bei Insekten die Generationen schnell aufeinander folgen, wird innerhalb von Monaten, höchstens wenigen Jahren die ganze Insektenschaft resistent gegen das Gift. Als man das erkannt hatte, erhöhte man den DDT-Gehalt von 5 Prozent auf 50 und setzte es in Gemischen mit anderen Insektiziden ein.
    Es gab jedoch gegen den massenhaften Einsatz von DDT auch Widerstand, der in den USA schon relativ früh in den Vierzigerjahren einsetzte und sich kontinuierlich bis zum vielleicht entscheidenden Ereignis in der Geschichte des Naturschutzes steigerte: 1962 veröffentlichte die Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson ihr wahrhaft epochemachendes Werk »The Silent Spring«. Sie zeichnete darin das Bild einer ausgeräumten, von Insekten wie von Vögeln befreiten Landschaft. Die negativen ökologischen Folgen des Chemieeinsatzes bestimmen schon den Titel: Der Frühling bleibt eben »stumm«, weil mit den Insekten auch die Vögel verschwinden, nach Vergiftung natürlicher Kreisläufe schließlich auch die Menschen verschwinden würden. Man kann die Wirkung, die »Der stumme Frühling« auf die öffentliche Meinung hatte, nicht hoch genug einschätzen. Das Buch katalysierte die Umweltbewegungen in Amerika und Europa; man hat ihr Buch mit Harriet Beecher Stowes »Onkel Toms Hütte« verglichen, das 1852 erschienen und ein entscheidender Faktor für die Abschaffung der Sklaverei gewesen war.
    Rachel Carson konnte auf beeindruckende Fehlschläge der Chemie hinweisen: Die Kampagne gegen den Schwammspinner, ein aus Europa eingeschleppter Nachtfalter, der das Ulmensterben verursachte, und auch der Feldzug gegen die Feuerameise endeten in einem Desaster. Beide Insektenarten waren nach der Bekämpfung weiter verbreitet als vorher, dafür hatte man sich mannigfache Folgeschäden bei anderen Tierarten, auch Nutztieren, eingehandelt.
    Inzwischen mehrten sich die Anzeichen, dass DDT sich in der Nahrungskette anreicherte, ja, der Begriff »Nahrungskette« erreichte seine volle Bedeutung überhaupt erst im Zusammenhang mit »Anreicherung« und »DDT« – die drei bildeten für eine ganze Generation einen Assoziationszusammenhang; wer das eine dachte, dem fielen auch die beiden anderen ein. Und an der Spitze dieser Kette, beim Menschen, kommt das

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