Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
keine lauten, sondern unortbar leise U-Boote mit atomarem Antrieb brauchte.
Der Kraftstoff der Zukunft muss unter anderem zwei Bedingungen erfüllen: Er sollte keinen fossilen Kohlenstoff enthalten und allein aus regenerativen Quellen herstellbar sein. Wasserstoffperoxid enthält überhaupt keinen Kohlenstoff, das Abgas besteht nur aus Wasser und Sauerstoff. Wie wird es erzeugt? Das heute allgemein übliche Verfahren verwendet Wasserstoff, der aus Sonnenstrom erzeugt werden kann – man könnte Wasserstoffperoxid deshalb als Speicher für elektrischen Strom bezeichnen. Ein älteres Verfahren wandelt den Strom direkt ins Produkt um – wie auch immer: Der Speicher fasst 400 Wattstunden pro Kilogramm. Dagegen fasst die übliche Bleibatterie nur 40 Wattstunden, die Nickelcadmium-Batterie 50 Wattstunden pro Kilo, also ein Achtel von Wasserstoffperoxid.
Was wären die Vor- und Nachteile?
Beginnen wir mit den Nachteilen: Wasserstoffperoxid ist als 3-prozentige Lösung in Wasser ein harmloses Mittel zum Gurgeln, als 90-prozentige Lösung ist es ein Raketentreibstoff. Es ist giftig und ätzend, irgendwo zwischen 3 und 90 Prozent wäre dann der Autotreibstoff, vielleicht bei 60 Prozent. Man sollte es sich beim Tanken nicht über die Hände schütten. Auch nicht auf die Schuhe. Und nicht auf den Asphalt neben der Zapfsäule. Weil das Mittel diese organischen Stoffe heftig zu oxidieren beginnt. Sagen wir so: Das Sicherheitsbewusstsein beim Wasserstoffperoxid müsste schon ein gewisses Niveau haben …
Der größte Vorteil: H 2 O 2 ist eine farblose Flüssigkeit mit einem Siedepunkt weit über hundert Grad. Man braucht keinen Druckbehälter wie beim gasförmigen und keinen Spezialtank wie beim flüssigen Wasserstoff. Man kann es mit einigen Vorsichtsmaßnahmen tanken wie Benzin oder Diesel. Mit Stabilisatoren als Zusatz zersetzt es sich nur zu 2 Prozent pro Jahr, also nicht mit mehreren Prozent pro Monat , wie das bei einer Batterie der Fall ist. Das Peroxid zersetzt sich zu Wasserdampf und Sauerstoff und könnte einen Dampfmotor antreiben. Das Kilo Wasserstoffperoxid kostet im Tonnenmaßstab eingekauft etwa 60 Cent. Jedenfalls ist das eine Idee, die weiterverfolgt werden sollte.
Chinin
Von den Substanzen, die in diesem Buch vorkommen, ist Chinin die vom Zeitgenossen wohl am meisten unterschätzte.
Wer sich für die Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel interessiert (und ein Büchlein mit den »E-Nummern« zu Hause hat), wird Chinin als Bestandteil des Tonicwaters kennen und wissen, dass der bittere Geschmack eben davon kommt. Er wird Chinin für eine Art Gewürz halten – eben dazu da, diese aparte Bitternis zu erzeugen.
Chinin ist viel mehr. Letztlich ist die Substanz dafür verantwortlich, dass die Staaten des tropischen Gürtels so auf dem Globus verteilt sind, wie wir das heute kennen; in ihnen spiegelt sich ja die Geschichte des Kolonialismus der letzten drei Jahrhunderte – und eben den hätte es in dieser Form ohne Chinin nicht gegeben und nicht geben können. Viele würden das für einen Segen halten (wir wissen nur nicht, was anstelle kolonialer Eroberung und Ausbeutung passiert wäre), aber ohne Chinin, das ist sicher, hätte es das weltumspannende Britische Empire nicht gegeben, und deshalb wäre auch die Geschichte Europas in unabsehbarer Weise anders verlaufen.
Ein Nebengedanke dazu aus deutscher Sicht: Wer anders als ein durch Welthandel mächtiges England hätte dem Alten Fritz Subsidien für seinen Siebenjährigen Krieg zahlen können? Er hätte ihn, da es ohnehin auf Spitz und Knopf stand, wahrscheinlich verloren …
Zunächst: Was ist das eigentlich, dieses Chinin?
Sieht kompliziert aus, ist es auch. Bezeichnungen wie üblich: C ist Kohlenstoff, H ist Wasserstoff, N ist Stickstoff und O ist Sauerstoff.
Es gelang erst 1944, diese Substanz aus einfachen Vorläufern im Labor zu erzeugen. Wenn man sie generell labormäßig herstellen müsste, wäre sie so astronomisch teuer, dass man Chinin sicher nicht als Limonadenzusatz verkaufen könnte. Gott sei Dank muss man das nicht, Chinin kommt fertig in der Natur vor, vor allem in der Rinde des Chinarindenbaumes. Damit beginnen schon die Kalamitäten ähnlich klingender Wörter: Der Chinarindenbaum stammt nämlich nicht aus China, sondern hat seinen Namen vom indianischen Wort quina (Rinde). Der bis zu 20 Meter hohe Baum mit langen elliptischen Blättern war ursprünglich nur im Hochwald der Anden heimisch, auf über 1500 Meter Seehöhe. Die Ureinwohner
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