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Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten

Titel: Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Belladonna (Tollkirsche). Dabei untersuchte er die noch heute benutzte pupillenerweiternde Wirkung des Wirkstoffs Atropin. Sein Lehrer Johann Wolfgang Döbereiner ermunterte ihn, diesen Effekt Goethe vorzuführen, weshalb sich Runge im Oktober 1819 »mit einer Katze unter dem Arm« zu Goethe aufmachte – das eine Auge der Katze war mit Belladonnasaft behandelt, das andere nicht. Goethe war beeindruckt und schenkte Runge zum Abschied die Schachtel mit den damals noch kostbaren Bohnen: Er solle doch prüfen, ob der Stoff darin sich nicht als Gegengift zur Belladonna verwenden ließe. Hier irrte Goethe …
    Coffein kommt natürlich im Kaffee vor. Der Kaffee stammt von einem Strauch, der sich zu einem zehn Meter hohen Baum auswächst, wenn man ihn lässt. In den Plantagen beschränkt man die Höhe auf zwei bis vier Meter. Der Strauch bringt rote Kirschen hervor, ihre Samen sind die eigentlichen Kaffeebohnen. Die Ernte erfolgt von Hand, mit aufwendigen Verfahren entfernt man die fleischige Hülle und verschiedene Häute, bis der Samen freiliegt – der muss dann noch geröstet werden. Der Kaffee ist zwar das Geschenk Arabiens an die Welt, wird aber heute zwischen dem 25. Grad nördlicher und südlicher Breite angebaut. In der Geschichte des Kaffees gibt es Konstanten: Er wird in Kaffeehäusern angeboten und gemeinschaftlich getrunken – auch wenn die moderne Kaffeereklame auf einzeln lebende Menschen abgestellt ist (Kaffee als Tröster der Einsamen), so gehört sein Genuss historisch gesehen in ein soziales Umfeld. Wer Kaffee trinkt, will auch reden, sich mit anderen unterhalten. Kaffee und Kaffeehaus gehören von Anfang an zusammen. Eine weitere Konstante der Kaffeeausbreitung: Die Regierenden sind zuerst einmal dagegen. Die ersten Kaffeehäuser gab es in Mekka, berühmt wurden die von Konstantinopel und Damaskus. Ende des 16. Jahrhunderts hätte die Geistlichkeit fast die Einführung des Kaffees in Italien verhindert – es sei ein Teufelsgebräu, was man ja schon an der schwarzen Farbe und der islamischen Herkunft ersehe. Papst Clemens VIII. hat der Kaffee aber geschmeckt, ab da war er zulässig. In keinem Kaffeebuch der letzten hundert Jahre fehlt die Ursprungslegende von den Ziegen in der äthiopischen Provinz Kaffa, die um das Jahr 850 herum von Blättern und Früchten des Kaffeestrauchs gefressen hätten und dann munter und fidel die ganze Nacht herumgesprungen seien, während die anderen Ziegen, die den Kaffeestrauch verschmähten, müde wurden. Den Hirten sei der Unterschied aufgefallen, sie entdeckten den Strauch und meldeten die merkwürdige Sache den Mönchen eines nahe gelegenen Klosters; diese Mönche, heißt es, hätten dann gelernt, aus den kirschartigen Früchten einen Aufguss zu bereiten, nach dessen Genuss sie nächtelang wach bleiben und beten konnten … Eine so hübsche Geschichte, dass man sie gern nacherzählt – und keinen Gedanken an die sachlogischen Probleme verschwendet, die der Erzählung anhaften wie Teer. Zunächst: Wie sollen die Hirten herausgefunden haben, welche Ziege was gefressen hat? Haben sie daneben gestanden? Das Ganze erinnert eher an ein Laborexperiment (mit Kontrollgruppe), aber nicht an das reale Hirtendasein. Außerdem war die Landschaft von Kaffa im 9. Jahrhundert ein artenreicher Regenwald, nicht das abgeholzte Trockengebiet, das wir heute mit Äthiopien verbinden. Da gab es Futter jeder Art – Ziegen sind sogenannte Selektierer , das heißt, sie fressen von allem ein bisschen, auch eher ungewöhnliche Sachen wie Baumrinde, die von anderen Tieren verschmäht werden. Wie man ausgerechnet bei frei weidenden Ziegen die Aufnahme einer bestimmten Pflanze feststellen will, ist mir ein Rätsel.
    Aber ob die Geschichte stimmt, ist auch nicht so wichtig. Der Kaffee kam erst fünfhundert Jahre nach seiner vermuteten Entdeckung als Genussmittel nach Arabien – und verbreitete sich dort überraschend langsam. In Mekka taucht der Kaffee 1511 auf, in Kairo 1532. »Der Wein des Islam« – wie es in populären Darstellungen heißt, eine Legende verpflichtet sogar den Erzengel Gabriel, der den Propheten mit Kaffee versehen haben soll, um ihn von einem Erschöpfungszustand zu heilen. In Wahrheit standen die islamischen Behörden dem Kaffee ambivalent bis kritisch gegenüber. Der Kaffeegenuss wurde mehrfach verboten, dann wieder stillschweigend geduldet. Schließlich bedeutet das arabische qahwa , von dem sich unser Wort »Kaffee« ableitet, auch »Wein«. Sultan Murad IV. ließ im

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