Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
Pferdekutsche. Kein Holzrad mit Eisenbeschlag hätte einen eine Fahrt bei dieser Geschwindigkeit aushalten lassen.
Ein Jahr nach Einführung des »T-Modells« erfand der deutsche Chemiker Fritz Hofmann (mit dem im Anilin-Kapitel erwähnten weder verwandt noch bekannt) einen künstlichen Kautschuk. Angetrieben wurde seine Forschungsarbeit durch die fantastischen Preise, die der Naturkautschuk mittlerweile erzielte: rund 25 Goldmark pro Kilo, das entsprach dem Wochenlohn eines Arbeiters. Grund der Kautschuk-Hausse war der riesige Bedarf seitens der Autoindustrie.
Das Patent Hofmanns wurde nie genutzt: Der Ausgangsstoff Isopren war in der Herstellung viel zu teuer, außerdem brauchte die Polymerisation , das Aneinanderhängen der Isoprenmoleküle zu langen Ketten, vierzehn Tage. Hofmann stieg auf einen Verwandten um: Dimethylbutadien . Der war billiger zugänglich, das Produkt hieß Methylkautschuk . Warum? Weil der »richtige« Kautschuk aus Methylbutadien (Isopren) aufgebaut ist, also nur eine Methylgruppe enthält, der »nachgemachte« aber zwei Methylgruppen enthält, also eine mehr – daher Methylkautschuk. Reifen aus diesem synthetischen Kautschuk hielten immerhin 4000 Kilometer, bis sie abgefahren waren. Kaiser Wilhelm II., allem Neuen stets aufgeschlossen, ließ sein Auto mit Reifen aus Methylkautschuk bestücken.
Den Gummibaronen der tropischen Welt blieb die drohende Gefahr nicht verborgen. Sie senkten innerhalb weniger Jahre den Preis des Naturkautschuks auf fünf Mark pro Kilo, damit konnte das Produkt aus dem Labor nicht konkurrieren. Gleichzeitig bedeutet diese enorme Preissenkung, dass der Kautschuk wohl nicht »auf Kante« gerechnet war; übertriebene Lohnkosten scheinen keine Rolle gespielt zu haben.
Der Erste Weltkrieg brachte eine kurze Renaissance des Methylkautschuks; in diesem Krieg wurde zwar immer noch mit der Eisenbahn gefahren und dann marschiert, für Spezialzwecke gab es aber schon Autos, Lastwagen und Sanitätsfahrzeuge zum Beispiel. Das deutsche Reich war von jeder natürlichen Kautschukquelle völlig abgeschnitten, da kam nichts herein, null, zero … Rund zweitausendfünfhundert Tonnen Methylkautschuk halfen mit, den Weltkrieg zu verlieren.
Für den Zweiten Weltkrieg brauchte man eine billigere Kautschukquelle, sonst konnte man die ganze Sache von vornherein vergessen, dieser Krieg, das war allen Militärs klar, würde motorisiert geführt werden. Die deutsche Industrie bemühte sich nach Kräften, einen brauchbaren Kautschuk zu entwickeln, 1929 war es so weit: Buna trat ans Licht der Öffentlichkeit. Der Name ist eine Zusammensetzung von Butadien und Natrium . Letzteres dient der Polymerisation des Butadien – und das Butadien enthält, wie uns jetzt auffällt, überhaupt keine Methylgruppen mehr.
Vier Kohlenstoffatome, die beiden Doppelbindungen, die Wasserstoffatome sind hier der Abwechslung halber eingezeichnet, die Kohlenstoffatome aber nicht. Das 1929 vom Chemiker Walter Bock entwickelte Buna S enthält allerdings nicht nur Butadien, sondern noch 30 Prozent Styrol:
Die Doppelbindung in der Seitenkette geht auf; so fügen sich die Styrolmoleküle in die Kette der Butadienmoleküle ein, Styrol verbessert die Eigenschaften des entstehenden Kautschuks, der besonders für die Reifenherstellung geeignet war.
Woher bekam man nun die Ausgangsstoffe? Styrol war im Steinkohlenteer enthalten, Butadien nicht. An dieser Stelle kommt eine Substanz ins Spiel, die wir heute nur noch als Schweißgas kennen: Acetylen . Es hat die einfache Formel C 2 H 2 , besteht also nur aus zwei Kohlenstoff- und zwei Wasserstoffatomen, was gleichzeitig bedeutet, dass zwischen den Kohlenstoffatomen eine Dreifachbindung existiert – denn irgendwie müssen die grundsätzlich vorhandenen vier Bindungen des Kohlenstoffs ja untergebracht werden: drei für das Nachbar-C-Atom, eine für den Wasserstoff:
Für Deutschland stellte dieses einfache Molekül den Schlüssel zu seiner Großchemie dar; es war auch der Grund, warum der Zweite Weltkrieg überhaupt geführt werden konnte. Acetylen macht man aus Karbid , einem grauen Pulver, das sich wiederum aus Kohle und Kalk herstellen lässt. Mit Wasser wandelt sich das Karbid in Acetylen und Calziumhydroxid um, eine Reaktion, die früher in Fahrradlampen ablief – das entstehende Acetylengas verbrennt nämlich mit einer sehr hellen Flamme. Grubenlampen für Höhlenforscher machen es heute noch so, die Karbidlampen sind allen elektrisch betriebenen, wie man mir
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