Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
Temperaturen bis zu 240 Grad die Zucker mit den Aminosäuren. Die Hauptprodukte sind bräunliche Substanzen mit einer Geschmacksrichtung zwischen süß und bitter, daneben entstehen Hunderte von Nebenprodukten, die alle irgendwie zum Geschmack beitragen. Durch das Rösten werden aber auch unerwünschte Stoffe abgebaut; in ärmeren Ländern, wo man sich nur billige Sorten leisten kann, überwiegt deshalb langes Rösten – bis 40 Minuten, wobei allerdings auch erwünschte Geschmacksstoffe verschwinden. Ergebnis ist eine fade und bittere, aber wenigstens koffeinhaltige Brühe. Mittlere Temperaturen und eine Röstdauer von zwölf Minuten liefern die besten Ergebnisse. In der rohen Bohne lassen sich 250 Substanzen nachweisen, in der gerösteten über 800. Einige dieser Stoffe sind sehr heikel. Zu hohe Konzentrationen können das Aroma völlig ruinieren. Trichloranisol erzeugt den erdigen Geschmack von Robusta-Sorten. Wir können diesen Stoff extrem gut riechen und schmecken: Schon unglaubliche sechs Milliardstel Gramm pro Liter dieses Stoffes sind wahrnehmbar.
Kaffee schmeckt auch gut? Nicht? Das ist von Person zu Person verschieden. Nur fünfundzwanzig Aromastoffe sind unerlässlich für den Kaffeegeschmack. Der wichtigste, der allein in hoher Verdünnung so etwas wie Kaffeearoma ahnen lässt, heißt Furfurylthiol :
Ich bin dieser Substanz als Praktikant im analytischen Labor einer Chemiefirma begegnet. Sie sollte wie viele andere »Wareneingänge« gaschromatografisch auf ihren Gehalt geprüft werden – ein Fläschchen mit einer braunen Flüssigkeit. Die Aufschrift warnte vor dem Geruch: »Öffnen der Flasche nur unter starker Entlüftung«. Ich fächelte mir, neugierig geworden, ein wenig mit der Hand vom Flaschenhals in Richtung Nase: Für den Geruchssinn war es das, was man beim Boxen einen Tiefschlag nennt. Es riecht nicht, es stinkt auch nicht, die Substanz agiert jenseits solcher Begriffe; etwas unsagbar, unvorstellbar Widerliches fährt einen direkten Angriff auf das Brechzentrum (ich konnte die Katastrophe mit knapper Not verhindern). Erst in vieltausendfacher Verdünnung riecht Furfurylthiol angenehm nach Kaffee. Wozu man das dann braucht? Eben: Um Kaffeeersatzstoffe nach Kaffee riechen zu lassen …
Immer wieder gibt es in verschiedenen Medien Meldungen über schädliche Wirkungen des Kaffees. Geglaubt werden sie gern – wie wir ja seltsamerweise allgemein dazu neigen, negative Dinge eher für wahr zu halten als positive Berichte. Auch nach zahlreichen Untersuchungen konnten keine negativen Wirkungen des Kaffees festgestellt werden, also kein Zusammenhang mit Bluthochdruck, Gicht, Diabetes, Herzinfarkt oder Schlaganfall, auch keine Häufung von Krebs bei Kaffeetrinkern. Eindeutig ist allerdings eine Wirkung, wenn man aufhört, ihn zu trinken: Migräneartiges Kopfweh, ein Entzugssymptom, das allerdings nach einigen Tagen wieder verschwindet.
Kaffee wird nicht nur wegen der anregenden Wirkung getrunken: Coffein erhöht auch den Serotoninspiegel im Gehirn. Serotonin ist der Garant unseres seelischen Wohlbefindens, der Spiegel dieser Substanz abhängig vom Tageslicht. Deshalb verbrauchen die Skandinavier zwei- bis dreimal so viel Kaffee wie die Südeuropäer. Fazit: Kaffee hat nicht nur Schutzwirkungen gegen Krebs, sondern ist auch ein mildes Antidepressivum!
Es wird aufgefallen sein, dass ich bisher nichts über den Tee geschrieben habe. Dabei enthält er mehr Coffein als der Kaffee. So viel, dass in London im frühen 19. Jahrhundert acht Fabriken aus einmal aufgebrühten Teeblättern ein Teesurrogat herstellten, das über dunkle Kanäle wieder in den Markt geschleust wurde. Dazu eine Anekdote: Ein Studienkollege von mir pflegte sich beim Lernen mit Tee wach zu halten. Eines Tages war noch so viel Schwarztee von der vergangenen Nacht übrig, dass es ihn reute, alles wegzuschütten. Also hat er keinen frischen Tee gekocht, sondern den alten wieder heiß gemacht. Es wurde sehr starker Tee. Die Blätter – das hat er steif und fest behauptet – waren auf jeden Fall weg. Dieser Tee hatte eine dramatische Wirkung: Herzrasen, Schweiß ausbrüche, Zittern, Angstzustände, über Tage sich hinziehende Schlaflosigkeit, Einweisung in die Klinik. Es sind dies die Symptome einer Coffeinvergiftung. Schwarzer Tee enthält, wie erwähnt, mehr Coffein als Kaffee und grüner Tee noch mehr als schwarzer, bis zu 5 Prozent. Daneben kommen noch enge Verwandte dieses Anregungsmittels vor: Theophyllin und Theobromin .
Weitere Kostenlose Bücher