Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
versichert hat, weit überlegen.
Das Acetylen ist aber auch Ausgangsstoff für einen ganzen Rattenschwanz von Substanzen, die von Ländern, die über reichlich Erdöl verfügen, daraus hergestellt werden können – vom nationalsozialistischen Deutschland aber zum Beispiel nicht. Ich will die recht verwickelten Reaktionen hier nicht nachzeichnen – letztlich brauchte man für den künstlichen Reifengummi nur Kohle und eine Menge Energie (auch aus Kohle gewonnen). Deutschland war dazu bereit, auch wenn die Wirtschaftlichkeit der Verfahren bei Weitem nicht erreicht werden konnte. Das war aber egal, wie aus einer geheimen »Denkschrift« über die Aufgaben eines Vierjahresplanes hervorgeht, die Adolf Hitler 1936 verfasst hatte:
»Es ist ebenso augenscheinlich die Massenfabrikation von synthetischem Gummi zu organisieren und sicherzustellen … Die Frage des Kostenpreises dieser Rohstoffe ist ebenfalls gänzlich belanglos, denn es ist immer noch besser, wir erzeugen in Deutschland teurere Reifen und können sie fahren …«
Die Sache mit dem Gummi hatte er also begriffen. Die USA taten sich da schon schwerer. 1939 verbrauchten sie 53 Prozent des in der Welt erzeugten Naturkautschuks, im Jahr 1941 verbrauchte die amerikanische Wirtschaft 790000 Tonnen Kautschuk. Durch die raschen Kriegsfortschritte der Japaner fiel der ganze ostasiatische Raum als Gummiproduzent mit einem Schlag weg, Amerika musste sich gewaltig auf die Hinterbeine stellen, um diesen »rubber gap« zu überwinden. Der Kongress zwang die »Standard Oil of New Jersey«, bei der die deutschen Patente für Buna S lagen, diese Unterlagen freizugeben. (Die Firma hatte sich wegen eines Abkommens mit der I.G. Farben geweigert, das zu tun!) Überall im Land entstanden Fabriken zur Produktion von synthetischem Kautschuk. In Deutschland wurde das erste Werk in Schkopau gegründet, es folgten weitere drei Werke, das dritte im Konzentrationslager Auschwitz III Monowitz verschlang 25000 Zwangsarbeiter und konnte doch nicht fertiggestellt werden.
Deutschland steigerte die Buna-S-Produktion bis 1944 auf 97000 Tonnen, die USA die ihre dagegen auf 691000 Tonnen. Die Zahlen sagen schon einiges über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kriegsgegner.
Das ist ein langes Kapitel geworden.
Und ein merkwürdiges: So unterschiedliche Personen wie Leopold II. von Belgien und Adolf Hitler kommen darin vor, Wissenschaftler wie Charles-Marie de La Condamine, Erfinder wie Charles Goodyear.
Dass es so relativ düster wurde, war nicht beabsichtigt; es liegt auch nicht in der Natur des Gummis, sondern an seiner Geschichte, mit der sich sehr hübsch die Geschichte einer Schwäche des Menschen illustrieren lässt: seiner Gier.
Coffein
Eine imposante Formel, oder? Da Coffein eine der wichtigsten Substanzen ist, die auf dieser Erde existieren, lohnt sich wohl ein etwas genauerer Blick. Wie die meisten organischen Stoffe hat Coffein mehrere Namen. Einer davon ist Trimethylxanthin – tatsächlich hängen ja drei Methylgruppen dran (CH 3 -): eine links oben, eine rechts oben, eine unten. Das Xanthin ohne die drei Methylgruppen trägt an ihrer Stelle jeweils ein Wasserstoffatom (H).
Xanthin wurde 1817 vom Schweizer Arzt Alexandre John Gaspard Marcet in einem Blasenstein entdeckt. Es ist ein farbloser Feststoff, der Name kommt aber vom griechischen xanthos , das heißt »gelb« und bezieht sich auf eine Farbreaktion, die Murexid-Reaktion , die man ausführt, um Harnsäure nachzuweisen; die zeigt eine intensiv blaue Farbe, Xanthin dagegen eine tiefgelbe. Xanthin wird im Körper zu Harnsäure abgebaut, die wiederum … nein, so geht das nicht!
Im ganzen 19. Jahrhundert tummeln sich Naturforscher unterschiedlicher Nationalitäten, untersuchen alle möglichen Naturstoffe und gewinnen Reinsubstanzen, denen sie dann mehr oder weniger vernünftige Namen geben. Die haben meistens griechische oder lateinische Wurzeln, weil besagte Naturforscher im Gymnasium mit den klassischen Sprachen bis zum Abwinken traktiert worden sind. Was Chemiker von ihrer mitleidigen Umgebung oft gefragt werden: »Wie merkst du dir bloß das ganze Zeug?« Gemeint sind die Strukturformeln, Coffein ist nur ein Beispiel.
Man baut logisch auf und fängt mit dem Einfachen an. Benzol, bekannt aus dem Anilin-Kapitel.
Die Ecken sind Kohlenstoffatome, die Wasserstoffatome stehen nach außen ab. Im Anilin-Kapitel wurde eines davon durch eine Aminogruppe ersetzt (NH 2 -), da entstand eben das Anilin. Gibt es auch
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