Von allen guten Geistern geküsst: Roman (German Edition)
nur zweimal Rattern, und dann fuhr Kharos in den armen Kerl, der aus der Bahn stieg. Und plötzlich war Selvans neben ihm, weil Kharos seinen Schlüssel reingesteckt hatte.«
»Und was hast du da getan?«, fragte Ethan.
»Bin weggerannt«, erwiderte Gus durch zusammengebissene Zähne. » Kharos ist’n anderes Kaliber als Fufluns oder Tura . Der Schlimmste von der ganzen Bagage.«
»Na, ich würde auch wegrennen, wenn ich allein zwei Unberührbaren gegenüberstünde«, meinte Ethan. Doch er hatte das Gefühl, Gus glaubte ihm nicht.
» Kharos hat sie alle rausgelassen. Dein Vater brachte uns zum Wachturm und organisierte uns. Delpha, Glenda, Old Fred und mich. Wir überstanden dort die Nacht, und am nächsten Morgen führte dein Vater uns raus. Er war ’n richtig guter Anführer.
Tura erwischten wir gleich wieder, sie zischte vor dem Liebestunnel herum, fand niemanden, den sie besetzen konnte. Fufluns hat auch ziemlich schnell aufgegeben. Wir mussten den Park wegen Halloween öffnen, aber wir haben sie gleichzeitig gejagt. Es war ziemlich schwierig, weil sie dauernd die Menschen wechselten, besetzten immer wieder andere Leute …«
»Mabs Eltern«, warf Ethan ein.
Gus blickte überrascht auf. »Was?«
» Vanth und Kharos sind wohl irgendwann an Halloween im Liebestunnel in Mabs Eltern gefahren.«
»Das muss schon früh gewesen sein«, meinte Gus, »weil wir Vanth kurz nach Einbruch der Dunkelheit bereits wieder eingefangen hatten. Und dann waren nur noch die beiden schlimmsten frei. Wir fanden Kharos in einem jungen Burschen. Ziemlich schlau, versuchte, andere Leute dazu zu überreden, den Turm zu öffnen, die Brücke runterzulassen. Wir jagten hinter ihm her bis zum Teufelsflug. Er kletterte hoch. Wir hinterher.«
Gus schwieg, und Ethan fühlte, wie ein kalter Wind über den Park strich.
»Oben haben wir ihn eingeholt«, fuhr Gus schließlich fort. »Die Guardia . Glenda war fantastisch. Wir machten das Ritual, dein Vater hielt Kharos lange genug für uns fest, dass wir ihn in seine Urne stecken konnten. Wir hatten gewonnen.«
»Blieb noch Selvans «, meinte Ethan.
Gus nickte. »Er war uns gefolgt, in Geistform. Und er fuhr in den Burschen, den wir gerade befreit hatten. Dein Dad wusste es sofort. Also machten wir’s noch mal. Aber wir waren alle schon ziemlich müde. Deine Mutter brauchte ’n Augenblick, bis sie kapierte, und dein Vater musste Selvans sehr lange in sich festhalten. Du weißt ja, da wirkt sich jede Sekunde aus.
Na ja, wir kriegten ihn. Aber als ich gerade die Urne versiegelte, rutschte der Bursche, der zweimal besessen gewesen war, ab und wäre gefallen. Dein Vater sprang hin und packte ihn und schob ihn Old Fred zu, aber dann verlor dein Vater selbst das Gleichgewicht und stürzte ab.«
»Also hat Selvans meinen Vater umgebracht.«
»Nein«, entgegnete Gus. »Das waren Kharos und die anderen zusammen. Sie sind zu fünft, und wir sind zu fünft.«
Lange war kein Geräusch außer dem Wind zu hören, der durch die Streben der Drachenbahn heulte. Schließlich regte sich Ethan. »Lass uns Selvans holen und dann für heute Schluss machen.«
»Einverstanden«, meinte Gus.
Der hölzerne Hohlkörper, der den Drachen darstellte, war am obersten Punkt der Drachenbahn in Parkstellung verriegelt. Ethan vergewisserte sich, dass seine Sicherungsleine korrekt befestigt war, und kletterte dann über den eisernen Rahmen hinauf, bis er einen Arm um den Nacken des Drachen schlingen und die leere Augenhöhle erreichen konnte. Das kristallene Auge sprang ihm aus der Hand, als es sich seinem Platz näherte, und rastete mit einem kräftigen Klicken in seine Fassung ein. Ethan fühlte einen Schauder durch seinen Körper jagen.
Er kletterte wieder auf den Wartungssteig hinunter und folgte Gus, der den Rest der Strecke prüfte. Dann gingen sie beide zur Ringerstatue hinüber. Ein Paneel in der Rückseite hatte sich geöffnet, und Ethan griff hinein und zog Selvans’ Urne hervor.
Sie war schwerer als die anderen, und sie pulsierte in einer Art dumpfem, ziellosem Zorn.
»Bösartiges, brutales Monster«, knurrte Gus.
Ethan nahm die Urne unter den Arm. »Ich bringe ihn zu den anderen in den Turm. Alles in Ordnung mit dir?«
»Klar«, erwiderte Gus, aber es klang nicht danach.
»Schon gut«, meinte Ethan. »Diesmal werden die Guten siegen.« Er klopfte dem alten Mann auf die Schulter und wandte sich zum Gehen.
»Ich will nur, dass es endlich vorbei ist«, murmelte Gus und betrat die Steuerkabine.
Mab
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