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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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nachzuweisen? Quatsch. Nedomanski ist an einem Herzschlag gestorben. Das war alles zuviel für den alten Knacker… Er friert. Aber er hat Angst davor, nach Hause in seine kleine Laube zu fahren. Er beißt an der Kuppe seines rechten Daumens herum, bis das Blut kommt. Regression, denkt er, Rückkehr zu kindlichen Verhaltensmustern infolge von Frustration oder Konflikt… Er ist plötzlich todmüde. Er gähnt. Er verliert sich in Traumbildern.
    Er ist Mittelstürmer. Er läßt den rechten Außenverteidiger aussteigen, den Libero, den Torwart – Tooor! Tooor! Hunderttausend springen auf, er reißt die Arme hoch, der Ball liegt im Netz… Klick. Tennis, Centre-Court. Der Australier hat ihm die ersten beiden Sätze abgenommen; den dritten hat er 14:12 gewonnen, den vierten 7:5, und jetzt führt er 6:3. Er hat Aufschlag, und es steht 40:30. Matchball. Wimbledon hält den Atem an. Hoch schwingt er das Racket zum Aufschlag. Ein As! Spiel, Satz und Sieg! Klick. Sie kauern in den Blöcken. Fertig – Schuß! Blitzstart. Harter Kampf. Klarer Vorsprung. Sieg. Zeit: 9,8 – Weltrekord… Klick. Sabine zieht langsam den Rock über die gespreizten Schenkel… Er schreckt hoch.
    Eine alte Frau zieht einen leinenbespannten Karren vorüber. Sie trägt eine Zeitung aus, die ihn anekelt, und er würde eher verhungern, ehe er auch nur eine Zeile für dieses Wurschtblatt schriebe. Aber das bringt ihn auf eine Idee, eine Idee, die ihn fasziniert.
    Mensch, man könnte ja Kapital aus der Sache schlagen! Wenn ich den Stoff zu einer Reportage verarbeite… Da sind doch sicher ein paar hundert Mark drin! Der Fall Nedomanski – der Millionär, der seinen Tod genießen wollte…
    Der -ky war immer ganz verrückt nach solchen Themen. Vielleicht würde er die ganze Story Zeile für Zeile übernehmen, vielleicht auch nur als Material für einen großen Bericht verwenden – egal; das mußte mindestens 500 Mark bringen. Und die brauchte er dringend. Trotz der Scheine, die er von Nedomanski bekommen hatte. Außerdem hatte er die Chance, die Arbeit der Kriminalpolizei aus erster Hand, am eigenen Leib kennenzulernen, wenn sie ihn pausenlos verhörten… Robert Borkenhagen – verwickelt in einen skandalösen Fall! Eine Möglichkeit. Eine einzigartige Möglichkeit… Los, zugreifen! Angriff ist die beste Verteidigung.
    Es ist in jedem Fall besser, wenn er selber zur Kripo geht – schnappen tun sie ihn ohnehin. Und Abhauen kommt nicht in Frage. Da kann er genausogut den Mord an Nedomanski gestehen… Falls es überhaupt einer war.
    Eben: da liegt der Hund begraben. Wenn man nur wüßte… Wieso Hund? Nedomanski wird begraben. Nedomanski ist tot. Nedomanski ist tot. Nedomanski ist…
    Sein Kopf fällt zur Seite; er nickt ein. Minuten sind es nur, aber als er hochschreckt, weiß er nicht mehr, wo er ist. Es dauert ein Weilchen, bis er wieder ganz zu sich kommt. Es ist ja alles nur ein Traum, redet er sich ein. Nedomanski und die Geburtstagsparty und das makabere Spiel und der Tod – er hat ja alles nur geträumt. Das kann ja gar nicht wahr sein, das ist eine Ausgeburt seiner Phantasie… Aber dann weiß er wieder, daß es wahr ist.
    Er steht auf, überlegt einen Augenblick. Ihm fällt ein, daß sich die Mordkommission in der Keithstraße befindet. Er macht sich auf den Weg.
    Es nieselt, es regnet, es nieselt wieder. Er niest, er hustet. Er geht durch Straßen, die er nicht kennt. Er ist noch immer nicht nüchtern. Ein Imbißstand. Er trinkt einen starken Kaffee. Die Straßen füllen sich, an den Haltestellen warten die Menschen auf die heranschießenden Busse. Flugzeuge dröhnen über die Stadt hinweg. Niemand beachtet ihn. Die Füße tun weh. Rechts spürt er eine Blase. Sein Kinn ist rauh, seine Lippen sind zerbissen. Die Haare fühlen sich spröde an, obgleich sie naß sind. Es tut irgendwie weh, wenn er darüber streicht.
    Es ist acht Uhr morgens, als Borkenhagen durch kahle Gänge irrt. Endlich findet er das Zimmer, das der Pförtner ihm bezeichnet hat. Er wird mürrisch empfangen. Fiebernd erzählt er seine Geschichte. Sie lachen ihn aus.
    Es ist wahr!
    Kommen Sie, schlafen Sie erst mal Ihren Rausch aus.
    Rufen Sie doch Frau Nedomanski an!
    Ein bißchen früh dafür, nicht?
    Vielleicht kommt es auf jede Minute an!
    Sie, wenn Sie uns hier auf den Arm nehmen wollen…
    Borkenhagen weiß nicht mehr, was er sagen soll. Er hört die Stimme des Beamten mit einem dumpfen Nachhall. Er hofft nur, daß es bald überstanden ist. Seine Augen machen nicht

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