Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
der Grund, warum ich Sie anrufe.
Dann nehmen Sie’s also?
Ja und nein. Für sich allein ist es natürlich witzlos. Wir müssen mal abwarten, was aus der ganzen Sache wird. Ich hab ein ziemlich großes Spesenkonto bewilligt bekommen. Haben Sie Lust, mir beim Recherchieren zu helfen?
Wunderbar! Ja, natürlich.
Sie können auch die eine oder die andere Passage selber schreiben, veröffentlicht wird’s dann aber unter meinem Namen.
Da kann man nichts gegen machen.
Meiner ist nun mal ein Markenartikel, Ihrer nicht. Ich verspreche Ihnen aber, daß Sie bald mal einen eigenen Auftrag bekommen. Nicht zu reden von dem finanziellen Trostpflaster.
Okay, Doc. Wann fangen wir an?
Haben Sie ‘ne Idee, wo man am besten einsteigen kann?
Für mich war es ein Mord, und der Mörder ist einer der Gäste, nicht der Einbrecher.
Nicht der Einbrecher? Na, hören Sie mal – die Gäste wußten doch nicht, daß Nedomanski noch…
Vielleicht doch – wer weiß? Vielleicht ist jemand dahintergekommen… Auf alle Fälle gibt es wenigstens vier Personen, die genauso verdächtig sind wie der Einbrecher.
Bloß vier? Das geht ja noch…
Die sollten wir alle mal unter die Lupe nehmen.
Gut. Und mit wem fangen wir an?
Wie wär’s mit Martina?
Ist mir recht. Wann wird sie Schluß haben? Um fünf vielleicht. Dann ist sie um sechs zu Hause. Wo treffen wir uns?
Ich warte um sechs am U-Bahnhof Neu-Westend, wir können ja dann mit Ihrem Wagen hinfahren. Ich muß mal bei NEDO anrufen und fragen, wo sie wohnt.
Schön. Bis heute abend dann.
Ja. Tschüß!
Tschüß! (Knacken.)
Ich bin dann mit Borkenhagen zu Martina Dahms gefahren, Nedomanskis Hilfskraft im Büro und im Bett. Gleich nach diesem Besuch habe ich mich an die Schreibmaschine gesetzt und einen mehrseitigen Bericht getippt. Ich überfliege ihn schnell mal…
Borkenhagen wartete zum festgesetzten Zeitpunkt am festgesetzten Ort. Er sah aus wie ein Pop-Sänger; Mädchen drehten sich nach ihm um. Er trug schlappige Wildlederstiefel, schwarze Kordhosen, einen furchtbar engen schwarzen Rollkragenpullover und um den Hals eine kupferfarbene Kette, die zu einem mittelalterlichen Bürgermeister gepaßt hätte.
„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Redakteure“, sagte Borkenhagen, während er in meinen Wagen kletterte. „Vorsicht, meine Blumen!“
„Blumen…?“
„Ja, Blumen. Schließlich fahren wir zu einer Dame, die im Augenblick herrenlos ist.“
„Wo wohnt sie denn?“
„Knesebeckstraße 16. Feudale Fünf-Zimmer-Wohnung – der alte Nedomanski hat sich sein Liebesleben schon was kosten lassen. Seid nett aufeinander!“ Er verrenkte sich nach rückwärts, angelte die Abendzeitung, die ich unterwegs gekauft hatte, und überflog die Schlagzeilen.
Ich grinste etwas gequält. „Übrigens“, sagte ich, „wo hausen Sie jetzt eigentlich?“
„In ‘ner Laube hinter der Olympischen Brücke – ein Erbstück von meiner Großtante selig… Nee, in der Zeitung steht nichts drin.“
„Von Ihrer Laube?“
„Ja, von der steht auch nichts drin… Von meiner Rolle als Dr. Hartmann, meine ich. Ich gelte weiterhin als echt. Die Presse hält dicht – die Nedomanskis müssen gute Beziehungen haben. Die Kripo hat bisher nur fünf Personen etwas von meiner Doppelrolle erzählt: Martina, Guido, Walter Nedomanski, Frau Nedomanski und Dreyer. Und die werden wohl den Mund halten; die Sorte Publicity schätzen solche Leute nicht… Gehen Sie mit zur Beerdigung?“
„Mal sehen.“
„Die Bullen sagen aus kriminaltaktischen Gründen nichts; erst wenn der Mord aufgeklärt ist, komme ich an die Reihe.“
„Ich bin kein Jurist, aber viel wird Ihnen bestimmt nicht passieren.“
„Hoffen wir das beste… Da – links um die Ecke; wird sind gleich da.“
„Das ist doch erst die Leibnizstraße!“
„Ach so, ich kenn mich in der Gegend nicht so gut aus.“
„Wir schaffen’s schon.“
Die Knesebeckstraße, die wir bald erreichten, hat Atmosphäre; sie erinnert mich immer ein wenig an Paris. Alte, bombastische Fassaden aus den Gründerjahren; in den großen Wohnungen dahinter vielköpfige Familien, Kommunen, Schauspieler, Professoren und Leute vom Film. Auf den breiten Bürgersteigen eine bunte Mischung: Hippies, dicke, schwitzende Frauen, laute und dreckverschmierte Kinder, puppenhafte Maximädchen, bullige Arbeiter, ab und zu ein Louis, Strichjungen, aufgeputzte Künstler, lässige Studenten, Spießbürger mit Supermarktplastiktüten. Stühle vor den Lokalen, Weiße mit Schuß,
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