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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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entlasten: sie hatten ja alle geglaubt, Nedomanski sei bereits tot. Und wer ermordet schon einen Toten?
    Halt – ein Gast wußte, daß Nedomanski noch lebte: Borkenhagen. Aber der hatte kein Motiv – im Gegenteil: wie sollte er zu seinem restlichen Geld kommen, wenn sein Auftraggeber tot war?
    Hm… Na ja. Erst mal weiterlesen… Was ist denn das für ein Zettel? Aha – von der Gattin, der teuren:
    Paß auf: Der Borkenhagen will dich bloß reinlegen! Er zieht eine große Schau ab, um vom wahren Sachverhalt abzulenken. Es könnte nach Lage der Dinge doch sehr gut Tötung auf Verlangen gewesen sein. § 216 StGB besagt – lach nur; ich hab nachgesehen: (1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Gefängnis nicht unter drei Jahren zu erkennen. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten. (3) Der Versuch ist strafbar. War das nicht ein genialer Einfall von Nedomanski, sich auf diese Art und Weise an seinen ihm verhaßten Mitmenschen zu rächen? Borkenhagen, das Luder, wird erheblich mehr gekriegt haben, als er zugibt – und Vorauskasse! Was riskiert er schon groß? Wahrscheinlich hat er sich von Nedomanski einen entlastenden Brief geben lassen; da kommen höchstens drei Jahre Gefängnis dabei raus. Den Brief, das ist jetzt schon klar, wird er nur im Notfall benutzen; er hofft, daß die ganze Geschichte unaufgeklärt im Sand verläuft, wenn der erste Wirbel abgeklungen ist.
    Überleg dir das mal. Ich habe Borkenhagens Manuskript sehr genau gelesen, auch zwischen den Zeilen.
    PS: Die Summe, die B. von N. bekommen hat, kann sehr hoch gewesen sein – sechsstellig. Schließlich braucht N. kein Geld mehr, und seine Erben konnte er nicht riechen.
     
     
    Na, ich weiß nicht… Bißchen phantasievoll, was sich die Gute da ausgedacht hat. Das Risiko ist sehr groß – Brief hin, Brief her; es hat auch niemand sechsstellige Beträge in der Brieftasche, und größere Bewegungen auf einem Konto, dessen Inhaber kurz darauf unter zweifelhaften Umständen stirbt… Also, das kann ein Rohrkrepierer werden. Und Borkenhagen mag ein Abenteurertyp sein und ein unausgegorener Zyniker obendrein – aber wenn’s ernstlich riskant wird, da wird er sehr schnell zum Realisten. Nein, Tötung auf Verlangen scheidet wohl aus.
    Also weiter im Text… Oha: ein Stilbruch. Ein gewollter Stilbruch ohne Zweifel – ich kenn doch den guten Borkenhagen! Präsens, so. Präsens, und was sich Herr Borkenhagen unter Expressionismus vorstellt… Na, mal sehen.
     
     
    Borkenhagen irrt durch die Straßen. Sein R 4 steht irgendwo zwischen Knesebeck- und Uhlandstraße auf dem Mittelstreifen des Kurfürstendamms. Er weiß nicht mehr, wie er überhaupt bis dorthin gekommen ist. Immerhin fünf bis sechs Kilometer Entfernung zwischen diesem Parkplatz und Nedomanskis Villa, über den Daumen gepeilt.
    Borkenhagen schlendert, schlingert, schleicht den Kudamm hinunter. Er hat seinen besten Anzug an. Dunkelblau. Zerknautscht und vollgekleckert; zu dem Kerzenwachs ist inzwischen noch Tomatenketchup gekommen. Er hat an der Bude zwischen Bleibtreu- und Schlüterstraße eine Currywurst gegessen. Daran erinnert er sich noch. Dann hat er getrunken. Pernod, Martini, Bier, Whisky; alles durcheinander und insgesamt eine ganz schöne Ladung.
    Nedomanski. Er hat ihm noch die Augen zugedrückt. Dann hat er sich verabschiedet. Morgen früh bringe ich den Leichenschein vorbei… Schön wär’s. Sabine ist nicht da. Vielleicht kann ich ihrem Vater einen Schein aus dem Schreibtisch klauen? Aber wie soll ich ins Haus kommen, wenn Sabine nicht da ist? Die alte Krähe ist nie da, wenn man sie braucht. Scheiße.
    Er hätte an diesen verdammten Leichenschein denken sollen… Das heißt, er hat daran gedacht und sich bei seinen Vorbereitungen auch darüber informiert: Die erste Urkunde nach dem Ableben stellt der Arzt mit dem Leichenschein aus. Vermag der Arzt sich über Todesstunde oder -ursache kein genaues Bild zu machen und vermerkt er seine Feststellungen unter dem Vorbehalt vermutlich, dann sind zunächst die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Die Staatsanwaltschaft entscheidet letztlich über die Freigabe oder über weitere Untersuchungen durch den Gerichtsmediziner und gegebenenfalls über die Aufnahme kriminalpolizeilicher Ermittlungen. Läßt der Leichenschein dagegen keinerlei Zweifel offen, dann ist bei dem Polizeirevier, in

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