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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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fragt sie.
    „Siehst du doch“, antwortet er und fummelt an seiner Hose herum.
    Sie weicht nach hinten zurück und stößt mit dem Gesäß gegen ihren Schreibtisch. Er drängt sich gegen sie, sie stößt ihn zurück. Sie will schreien, er erstickt ihren Schrei mit einem brutalen Kuß. Seine rechte Hand fährt unter ihren schwarzen Rock, schiebt ihn weit hinauf. Sie wehrt sich, er bricht ihren Widerstand. Er ist wütend geworden. Ein Kettchen, das sie am Handgelenk trägt, klirrt zu Boden.
    „Wozu bezahle ich dich denn?“ keucht er.
    Sie läßt alles lautlos über sich ergehen.
    Er ist gerade fertig, da klingelt das Telefon. Er läßt von ihr ab, ordnet seine Hose und nimmt den Hörer hoch.
    „Ja, Herr Professor“, sagt er, schwer atmend, „ja, ich bin gleich bei Ihnen im Institut.“ Er bückt sich, hebt das Kettchen auf und läßt es gedankenlos in die Tasche gleiten. Dann geht er zur Tür, schließt auf, ist draußen. Ohne einen Blick für das Mädchen.
    Tina sitzt schluchzend am Schreibtisch. „Ich bringe dich um!“ flüstert sie. „Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich…“
     
     
    … Auch nicht schlecht. Aber als Anfang? Ich weiß nicht… Sollte man aber auf alle Fälle drinlassen. Schmeckt allerdings ein bißchen nach Klischee und Kolportage… Na und? Schließlich machen wir eine Illustrierte und keine Literaturzeitschrift.
    Wenn ich meinen Ringordner so durchsehe und in meinem Zettelkasten wühle, dann kann ich nur sagen: Die potentiellen Mörder sind unter uns! Es handelt sich bei ihnen durch die Bank um Menschen, die für eine solche Story was hergeben, die man mit wenigen Strichen zum Leben erwecken kann. Das ist das große Plus.
    Blatt Nr. 36. Guido Winkler, 26, Neffe von Max Nedomanski, von Beruf Industriekaufmann. Schwergewichtig. Herzfehler. Wirkt altmodisch und opahaft. Schreibt in einem Brief an seinen Freund Werner F. in Bonn:
    … und so bin ich noch immer todunglücklich. Ich liebe Tina mit der ganzen Kraft meines Herzens, sie bestimmt meine Gedanken und meine Träume, aber sie jemals zu besitzen, ist so hoffnungslos wie das Unterfangen, über den Atlantik zu schwimmen. Wir sehen uns öfter, wenn ich im Büro meines Onkels zu tun habe (wozu ich natürlich jede Gelegenheit nütze), aber jeden schüchternen Annäherungsversuch weist sie kühl und bestimmt zurück. Sie ist meinem Onkel vollkommen hörig. Er überhäuft sie mit Geschenken. Und gegen einen Max Nedomanski komme ich mit meinem 1050 netto nicht an. Wenn Du wieder in Berlin bist, Werner, dann müssen wir ausgiebig über alles reden. Ich habe Angst – Angst vor mir selbst. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken, ihn aus dem Wege zu räumen – diesen verdammten Blutsauger!
    Es hat mich einige Mühe und Hundert-Mark-Scheine gekostet, diesen Brief für meine Dokumentation zu erwerben… Ich blättere weiter. Ah, Maria Nedomanski!
    Blatt Nr. 51. Maria Nedomanski, 48, in ihrer zweiten Ehe dritte Frau von Max Nedomanski. Herb, etwas maskulines Gesicht, elegant gekleidet, arrogant. Aussage einer guten Bekannten von ihr (Eva-Maria R. aus dem gleichen Tennisclub.):
    … ja, wir haben auch über den Mordfall Wimmer gesprochen… Sie erinnern sich doch? Die Wimmer hatte ihren Mann mit E 605 vergiftet, weil er sie mit mehreren Mädchen betrog und sich überhaupt nicht mehr um sie kümmerte. Als wir uns darüber unterhielten, sagte Maria, sagte Frau Nedomanski zu mir: „Ich verstehe die Wimmer; ich würde sie freisprechen. Ich würde ihr noch eine Belohnung zukommen lassen. Diese Männer haben nichts anderes verdient! Irgendwann kommen wir alle mal an den Punkt…“ Ich kann Ihnen sagen, Herr Doktor, mir lief es eiskalt den Rücken runter!
    Blatt Nr. 62. Dieter Dreyer, 21, ungelernter Arbeiter, jahrelang bei Max Nedomanski als Bote, Butler, Entertainer, Gärtner und Hausmeister beschäftigt. Klein, dicklich, Babygesicht, Spitzname ,Moppel’. Nach verschiedenen Recherchen von mir geschriebene Szene:
    Dreyer konzentrierte sich auf Nedomanskis birnenförmigen Kopf. Die Entfernung mochte fünf Meter betragen, eher noch weniger. Langsam hob er die Pistole. Er war ganz ruhig; der Lauf der Waffe zitterte nicht. Er hielt unwillkürlich den Atem an. Jetzt bildeten Kimme und Korn und Nedomanskis flache Stirn eine Linie. Für den Bruchteil einer Sekunde schwankte der Lauf ein wenig nach rechts… Dreyer korrigierte die Abweichung, ohne nervös zu werden, und drückte ab. Die Kugel drang über dem rechten Auge in die

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