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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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anderen stehe. Ernüchtert sinke ich zurück aufs Bett und wünsche, ich könnte schlafen.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit erscheint Louis wieder mit einem Tablett. Er schließt die Tür nicht hinter sich, hebt behutsam meinen Kopf und hilft mir beim Trinken. Dann schiebt er mir Obst und Nüsse in den Mund, immer abwartend, bis ich gekaut und geschluckt habe.
    Ich spüre, wie sehr er seine Aufgabe hasst. Es ist nicht zu übersehen, dass er die Zähne zusammenbeißt, wenn ich vor Schmerz zusammenzucke. Und ständig schaut er mir prüfend ins Gesicht, um dort abzulesen, was in mir vorgeht. Endlich verstehe ich, dass das, was er mir entgegenbringt, Sympathie sein könnte. Ich habe den Verdacht, er würde an jedem anderen Ort lieber sein als hier, wo er mir helfen muss, auf die Beine zu kommen, nur damit ich dann vernichtet werden kann.
    Ich riskiere es und hoffe, dass ich richtigliege. »Louis, hilf mir dabei, von hier zu fliehen«, flüstere ich.
    Er tut so, als hätte er mich nicht gehört, und steckt mir eine Haselnuss in den Mund. Ich kaue und schlucke und frage mich, wie genau diese Sache mit der Überzeugungskraft eigentlich wirklich funktioniert. Darum konzentriere ich mich auf das, was ich von ihm möchte. Stelle mir vor, dass er aufsteht, die Tür schließt und dann die Fesseln löst. Spiele diese kleine Szene wieder und wieder in Gedanken ab. Ich spüre eine weitere Nuss an meinen Lippen, öffne die Augen und sehe, wie er schnell den Blick senkt, während ich die Nuss aus seinen Fingern entgegennehme.
    Er steht auf und geht zur Tür. Die Enttäuschung ist niederschmetternd. Louis ist meine einzige Chance: Wenn ich nicht wie durch ein Wunder megaschnell megastark werde, kann ich mich auf gar keinen Fall allein befreien. Ich beobachte ihn beim Weggehen und dabei fällt mir etwas auf, das ich bisher noch nicht bemerkt habe. In seinem blutroten Nimbus glänzt etwas, so als wären glühende Golddrähte hineingeflochten. Ich blinzele ein paarmal und frage mich, ob dieses lange Liegen auf dem Rücken meine Sehkraft beeinträchtigt hat. Doch als ich wieder zu ihm schaue, ist der goldene Schimmer immer noch da.
    Als würde er spüren, dass ich ihn beobachte, bleibt Louis stehen. Dann dreht er sich um und kommt zurück. Bewusst meinem Blick ausweichend, greift er unter das Bett und zerrt an einem der Gurte. Das Material schneidet tief in meinen Arm, während der Gurt sich dreht und wendet. Ich bin vor Angst wie gelähmt und frage mich, was er vorhat.
    Ohne sich umzusehen, zieht er einen einzelnen Schlüssel aus der Tasche und legt ihn aufs Fensterbrett. Dann verlässt er die Kabine und schließt die Tür laut hinter sich.
    Was sollte das denn? , frage ich mich und werfe einen Blick zu meiner gefesselten Hand. Louis hat den Gurt so gedreht, dass sich der Knoten direkt neben meinen Fingern befindet. Erleichtert lege ich den Kopf aufs Kissen und schließe die Augen. Dann nehme ich all meine Kraft zusammen, setze mich auf und bearbeite den Knoten mit den Nägeln.
    Der Knoten ist nicht weiter kompliziert, doch er ist so festgezogen, dass ich einen Teil des Gurtes zerfasern muss, was mir mit dem Daumennagel sogar gelingt. Schritte nähern sich der Tür, ich erstarre und lehne mich im Bett zurück, damit nichts verdächtig wirkt, falls jemand hereinschauen sollte. Die Schritte verlangsamen sich aber nicht einmal. Schon stürze ich mich mit neuem Eifer auf meine Aufgabe, reiße mir diesmal sogar die Haut am Daumen ein, weil ich viel kräftiger zu Werke gehe. Endlich löst sich der Knoten und mein Arm kommt frei.
    Vier weitere Gurte fesseln mich, einer am anderen Arm, einer an jedem Fuß und ein breiter Gurt ist über meine Taille gespannt. Erst befreie ich meinen anderen Arm, dann – mit zwei Händen – sind die letzten verbleibenden fast ein Kinderspiel. Von Gurt zu Gurt werde ich schneller, weil ich mich immer mehr bewegen kann, bis ich endlich ganz frei bin.
    Ich überlege, ob ich auf Gaspard warten soll. Ich habe das Gefühl, als läge sein Besuch bereits einige Stunden zurück. Ich könnte mich wieder auf dem Bett ausstrecken und die Gurte so arrangieren, dass es aussieht, als wäre ich noch gefesselt. Für den Fall, dass Violette auftaucht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sie besiegen kann, falls es zum Kampf kommt. Ich kann einfach nicht einschätzen, wie stark ich bin.
    Selbst wenn ich mich nicht kräftig genug für einen Zweikampf fühle, habe ich das starke Bedürfnis, mich zu bewegen. Vielleicht sogar, einen

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