Von den Sternen gekuesst
was in dem geheimen Teil des Metropolitan Museum of Art vorgefallen war, die Geschichte mit JB erwähnte er jedoch nicht. Um ihn danach zu fragen, musste ich also warten, bis sich eine Gelegenheit unter vier Augen bot. Erst als wir uns bei mir vorm Haus verabschiedeten, war es so weit.
»Weißt du nun schon, wie du vorgehen willst?«
»Ich werde erst mal allein mit JB sprechen«, sagte er und zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Mal abwarten, was er dazu zu sagen hat.«
»Viel Glück«, wünschte ich ihm, stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
»Ich hoffe, du bist heute Nacht nicht allzu einsam«, flüsterte er. Dann zwinkerte er, was mir einen ganzen Schwarm summender Bienen durch den Bauch jagte. Ich schloss die Haustür hinter mir und hörte ihn noch »Bonne nuit, ma belle« durch die Glasscheibe sagen, bevor er sich umdrehte und verschwand.
In dieser Nacht änderte sich alles.
Ich wurde vom wiederholten Klingeln meines Handys geweckt. Entnervt kramte ich es hervor und sah, dass Georgia viermal vergeblich versucht hatte, mich zu erreichen. Ich rief sie an.
»Was ist denn bitte so wichtig, dass du mich mitten in der Nacht aus dem Bett klingeln musst?«
»Katie-Bean, es ist zehn Uhr morgens.«
»Nicht in New York.«
»Hör zu, ich bin in La Mausoleum. Du musst sofort herkommen. Sofort.« Sie klang atemlos.
»Was ist los?«
»Eigentlich hätte ich doch jetzt Kampftraining, aber Gaspard ist nicht da. Er und Jean-Baptiste sind weg. Ganz weg, sie haben Paris verlassen. Für immer!«
»Nein!«, keuchte ich und saß plötzlich kerzengerade im Bett.
»Doch.«
»Ich bin gleich da«, sagte ich. Während ich aus dem Bett sprang und mir wahllos irgendwelche Klamotten überzog, rief ich Vincent an.
» Mon ange. Du bist wach.« Er klang so entspannt, dass ich mich fragte, ob meine Schwester mich veräppelt hatte.
»Ja, Georgia hat mir gerade total aufgelöst erzählt, dass JB und Gaspard abgereist sind.«
»Das stimmt. Ich wollte es dir eigentlich selbst sagen, wenn du ausgeschlafen hast. Aber da war deine Schwester wohl schneller«
»Na, jetzt bin ich auf jeden Fall hellwach und ganz Ohr«, sprach ich ins Telefon, das ich zwischen Kopf und Schulter geklemmt hatte, damit ich mir die Jeans anziehen konnte.
»Kate, glaub mir, das ist keine Unterhaltung, die ich am Telefon führen will«, antwortete er. »Ich schicke Ambrose vorbei, um dich abzuholen.«
Ich hinterließ Papy und Mamie einen Zettel mit der Info, wohin ich unterwegs war, und rannte die Treppen hinunter. Ambrose erwartete mich schon vor der Haustür, in eine ernste Diskussion mit Geneviève verstrickt. »Ihr müsst mir erzählen, was passiert ist!«, flehte ich, während sie mich flankierten.
»Auf gar keinen Fall, Katie-Lou«, sagte Ambrose und suchte dabei permanent die Straße nach möglichen Numa ab. »So große Sachen wird Vincent dir lieber selbst erzählen wollen.«
Ich wollte am liebsten mehr aus ihm herauskitzeln, aber ich wusste ja nicht, wie viel Vincent seinen Anverwandten bisher verraten hatte. Würde er JB decken? Oder hatte er den Bardia schon vom Vertrauensbruch ihres Oberhaupts erzählt?
Als wir in La Maison eintrafen, wimmelte es im Haus von Revenants. Es war wie eine Wiederauflage der vergangenen Woche, als sich die Pariser Anverwandten auch genau hier versammelt hatten, um zu erfahren, dass Vincent von Violette entführt worden war. Allerdings herrschte diesmal keine düstere Stimmung, es fühlte sich eher an, als stünden alle unter Schock. Auf manchen Gesichtern lag Unglaube, auf anderen bittere Enttäuschung und alle Anwesenden unterhielten sich nur im Flüsterton.
Ambrose brachte mich in die Bibliothek, wo mich Vincent bereits erwartete. Kaum war die Tür hinter Ambrose ins Schloss gefallen, entspannte Vincent sich sichtlich. Mit hängenden Schultern umarmte er mich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren.
»Was ist passiert?«, fragte ich. Weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, strich ich ihm ein paar verirrte schwarze Strähnen aus dem Gesicht.
»Ich habe ihn zur Rede gestellt. Und er hat alles zugegeben. Alles bestätigt, was Theodore uns erzählt hat. JB hat sich mit Lucien auf einen Handel eingelassen und seither mit den Immobilien für unsere Sicherheit gezahlt, die sie nutzen durften.«
»Oh Vincent«, mehr konnte ich nicht sagen, mir verschlug es den Atem, so aufgebracht hatte ich ihn noch nie gesehen.
»Er behauptet, er hat das nur zu unserem Schutz getan. Weil er damals
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