Von den Sternen gekuesst
Numa in Paris bereithielt, waren ihr sicher ebenfalls zu unwürdig.
Vincent erteilte einer Frau das Wort. Sie berichtete, dass ihr aus Bordeaux zugetragen worden war, dass alle dortigen Numa die Stadt verlassen hätten und sich auf dem Weg nach Paris befänden. Weitere Anwesende bestätigten diese Beobachtung aus anderen Städten in ganz Frankreich, was sich ja mit den Informationen deckte, die wir schon in New York bekommen hatten.
»Violette will ganz offensichtlich zu ihrem Vorteil vorbereitet sein«, warf Charlotte ein, die sich das erste Mal zu Wort meldete. Sie trug das übliche burschikose Outfit, Jeans und T-Shirt, aber weil sie ihre langen blonden Haare zu einem strengen Knoten zusammengefasst hatte, sah sie wesentlich älter aus als fünfzehn.
»Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Wir leben gerade in der Dritten Epoche, ganz wie die Prophezeiung vorhersagt. Es ist sogar schon über ein Jahrhundert verstrichen, seit sie angebrochen ist«, sagte Bran, den ich bis dahin noch gar nicht bemerkt hatte. »Es ist höchste Zeit, dass der Meister erscheint. Und er wird kommen, ganz gleich ob Violette ihn dadurch heraufbeschwört, dass sie die Lage künstlich zuspitzt, oder er von selbst erscheint.«
»Was genau besagt deine Prophezeiung?«, fragte Charlotte interessiert.
»Ich habe meine Version mit der von Gaspard abgeglichen. Grundsätzlich stimmt die Prophezeiung der Bardia mit der der Flammenfinger überein.« Er blätterte in seinem Buch, hielt es dann nah vors Gesicht und las laut daraus vor:
»›In der Dritten Epoche werden sich die Gräueltaten unter den Menschen verschärfen, sodass ein Bruder den anderen hintergehen wird. Die Numa werden den Bardia an der Zahl überlegen sein, weshalb vorherrschende Kriege das Leben der Sterblichen überschatten werden. In dieser Epoche wird ein Bardia in Gallien auferstehen und die Bardia anführen.
Er wird außergewöhnliche Fähigkeiten der Wahrnehmung, der Überzeugungskraft, der Kommunikation und in außerordentlichem Maße Ausdauer und Stärke besitzen. Seine Aura wird strahlen wie ein verglühender Stern. Er wird die Bardia zum Sieg über die Numa führen, die endlich bezwungen werden. Dieser Sieg wird die Vierte Epoche einleiten, eine Epoche gekennzeichnet von Frieden, bevor sich erneut die Wolken des Hasses über der Erde verdichten werden.‹«
Nachdem Bran verstummt war, begannen die anwesenden Revenants zu tuscheln. »Klingt ziemlich nach dir, mein Freund«, dröhnte Ambroses Stimme durch den Raum, er hatte wieder an der Tür Position bezogen.
»Der hochgeschätzte Monsieur Tândorn hat mir versichert, dass diese Ehre nicht mir zuteilkommt«, erwiderte Vincent und wandte sich dann an Bran. »Konntest du ihn denn unter den Revenants ausmachen, die du bisher getroffen hast?«
»Nein«, antwortete Bran.
Dann fing Vincent an, Aufgaben zu verteilen. Er übertrug den anwesenden Bardia die Leitung über die untergeordneten Anverwandten, sowohl über diejenigen, die sich bereits im Haus eingefunden hatten, als auch diejenigen, die noch eintreffen würden. Außerdem bildete er verschiedene Einheiten, eine war für die Überwachung des Crillon zuständig, die anderen sollten an strategisch wichtigen Orten in Paris und Umgebung spionieren. Damit war die Besprechung abgeschlossen, alle standen auf und ich nutzte die Gelegenheit, zu Bran zu gehen.
»Hallo, meine liebe Kate«, sagte er, streckte fast instinktiv eine Hand nach mir aus und zog sie dann verlegen wieder zurück. Ich musste darüber lächeln. Er war ein bisschen wie ein Gespenst, so unscheinbar und zurückhaltend, dass er manchmal buchstäblich nicht greifbar wirkte. Seine Scheu, was Berührungen anging, passte ziemlich gut zu seinem ganzen Auftreten, das sowieso irgendwie nicht von dieser Welt war.
»Du siehst müde aus«, sagte ich.
Er zuckte nur mit den Schultern. »Ich erlebe zum ersten Mal einen Jetlag. Davon bleiben diejenigen, die nicht schlafen müssen, ja verschont«, sagte er trocken mit einem Blick in Vincents Richtung, »was ich ein wenig ungerecht finde. Aber apropos schlafen, wenn ich hier gerade nicht gebraucht werde, ziehe ich mich gern zu einem Schläfchen zurück.« Er gähnte und verließ mit den anderen die Bibliothek.
Ich spürte, wie sich ein Arm um meine Taille legte, und sah, dass er zu meiner Schwester gehörte. »Na … Hat es sich gelohnt, dafür geweckt zu werden?«, fragte sie.
Ich nickte. »Ja, danke, Georgia.«
»Wie ich höre, ist dein Freund jetzt der König
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