Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
einem Waldweg, sehr weit von hier. Es ist Nacht, und ein Typ geht diesen Weg entlang, allein.
Ihr habt es geglaubt. Ihr habt tatsächlich geglaubt, ich würde mich ablenken lassen und mich in einen pikaresken Kriminalroman stürzen. Tut mir leid, aberdas mache ich nicht. Wir haben vorher noch was anderes zu tun, ihr und ich. Ich sage »ihr«, obwohl ihr gerade auf eurem Bett lümmelt und in diesem kleinen Opus blättert, was ehrlich gesagt nicht sonderlich anstrengend ist, weder für den Körper noch für den Geist. Kurz, ihr macht nichts in diesem Augenblick, da ich mit euch rede. Ich werfe keinen Stein auf euch, ich würde es ja selber liebend gern tun. Im Nichtstun liegt eine unergründliche Tugend, und es gehört auch einiger Mut dazu. Darüber gäbe es eine ganze Menge zu sagen, vielleicht kommen wir noch einmal auf diesen höchst bedeutsamen Gedanken zurück. Ich sage also »ihr und ich«, ihr aber helft mir, zugegeben, nicht viel, wenn ihr da müßig auf eurem Bett rumliegt und in einem Buch blättert, das ihr für leichte Lektüre haltet.
Ihr irrt euch.
Denn es ist kein leichtes Buch. Es ist ein sehr vielschichtiges und schwieriges Buch, ehrgeizig und zugleich anspruchsvoll, ja fast schon hermetisch, nur bemerkt ihr es nicht. Genau das ist der Trick.
Sagt mir, was euch quält, befreit euch. Ihr fürchtet, ich könnte meinen Freien Willen im Abenteuer mit dem Weltknäuel verlieren? Ich könnte den bodenlosen Verlockungen des Erdballs erliegen, mein Tiefinnersteskönnte im kakophonen Grollen, den dissonanten Klängen des Weltorchesters untergehen? Fürchtet nicht, seid ganz und gar unbesorgt. Das wird auf keinen Fall geschehen, aufgrund des Fadens nämlich, von dem ich euch weiter oben erzählte. Wie sollte ich meinen FW verlieren, wo ich doch nie meinen Faden verliere? Denkt mal einen Augenblick nach.
Also, ihr seht, das ist unmöglich.
Ich habe noch nie meinen Freien Willen (FW) verloren, ebenso wenig wie mir mein Tiefinnerstes (TI) entglitten wäre, außer in der Liebe. Diese ärgerliche Fahrlässigkeit hat mir ja jene zahlreichen Verdrießlichkeiten eingebracht, an denen ich euch seinerzeit teilhaben ließ, um euch zu entspannen. Entspannt euch, mein Gott. Ich auch? Bringt mich nicht in Versuchung, ihr wisst sehr wohl, dass ich zu tun habe.
Werft mir mal alles so hin, wie es euch gerade durch den Kopf geht. Der Faden? Ihr sucht immer noch den Faden? Das ist ja ein Tick bei euch, woher nur diese sinnlose Panik? Ich bin mit diesem Faden um den Kopf herum geboren worden, lasst euch das gesagt sein und atmet tief durch. Andere werden mit einemGeburtsfleck geboren (kleine stilistische Fehlleistung, »Geburt«/»geboren«, aber dabei können wir uns jetzt nicht aufhalten, wir übergehen es, das hier ist spontanes Schreiben, tut mir den Gefallen und korrigiert selber mein Buch, einmal ist keinmal, es wäre nett von euch. Und wir gewinnen Zeit. Je früher wir hiermit fertig sind, desto schneller können wir es uns mit einem Kriminalroman gemütlich machen. Strengt euch ein bisschen an, ich verlange ja nicht die Welt von euch). Andere werden also mit einem Geburtsfleck geboren, mit zu kleinen Händen, zu großen Füßen (ich werfe keinen Stein, mein Sohn ist mit sehr großen Füßen geboren, und er ist ein prima Kerl). Urteile wie »zu sehr« oder »nicht genug« sind im Übrigen völlig absurde, ja verwerfliche normative Kriterien, von denen wir uns schnellstens lösen sollten. Wir kommen noch mal darauf zurück, notiert es euch auf einem Zettel, falls ihr den Faden verliert, nur lasst uns bitte unterwegs nicht weiter herumtrödeln.
Folgt mir, dazu bedarf es nur zweier Stunden Lektüre, eine schlichte kleine Handreichung, denn ich brauche euch. Zwei Stunden. Das könnt ihr doch wohl für die Menschheit tun, oder?
Nicht wahr?
Gut so. Ich hatte befürchtet, einer von euch würde sagen: nein, ich verbringe doch nicht zwei Stunden mit der Menschheit. Zwei Stunden, das ist nicht die Ewigkeit. Ich selbst also wurde mit einem um den Kopf gerollten Faden geboren. Damit meine ich nicht die Nabelschnur, keineswegs, ich bin wie jedermann mit dem Hintern auf die Welt gekommen und die Nabelschnur irgendwie mit, wobei ich die meiner Zwillingsschwester gar nicht mal erwähne, die mir den Durchgang versperrte. Keine Sorge, mit verwickelten Situationen werde ich gut fertig, die Geburt ist ein Kinderspiel (lasst euch das auf der Zunge zergehen, ich würde es gern kommentieren, aber das müssen wir auf später verschieben),
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