Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
uns dieses Werk führt, wir plaudern hier nicht über das Beschneiden von Obstbäumen (obwohl dieses gleichfalls faszinierende Thema mich nicht schreckt). Beobachtet außerdem, dass der subtile Unterschied zwischen den beiden Arten von Zweifel einem eiskalte Schauer über den Rücken jagen kann, so subtil ist er. Schlimmer noch, mit bloßem Auge kann man sie schon gar nicht auseinanderhalten, sie gleichen einander wie zwei Stiefelknöpfchen, wieder mal war es Satan, der sich diesen Mist in einer müßigen Nacht ausgedacht hat, nachdem er zuvor alle Weltgegenden mit Langeweile überzogen hatte. Wenn ich »Satan« sage, dann aus Spaß, um für eine kleine Verschnaufpausezu sorgen, sonst kriegen wir es noch mit der Angst zu tun. Denn schließlich, wenn man das Vöglein, das unserem Verstand weise Ratschläge zuzwitschert (»Bist du dir auch wirklich sicher, dass du keine Dummheit begehst?«), nicht von einer Dampfwalze unterscheiden kann, die uns in den klebrigen Schlamm der Ohnmacht drückt, was soll dann aus uns werden, großer Gott? Keine Panik, tun wir was, nähern wir uns dem zwiespältigen Zweifel mit einer Binokularlupe, wir werden uns doch nicht ohne Widerstand plattmachen lassen, verdammt. Schneidet mir diesen Zweifel in feine Lamellen, legt ihn in einem Tropfen Glyzerin auf ein Plättchen, stellt scharf, und was seht ihr?
Nichts? Nur Schwarz?
Klar, ihr habt die Schutzkappen nicht abgenommen, die Objektive sind verschlossen. Nehmt die Kappen ab, dreht am Rädchen, stellt die Schärfe ein. Ich reg mich nicht auf, ich weiß, wir sind Anfänger, aber dennoch, ein bisschen was könnt ihr auch dazu beitragen. Was sehen wir? Der destruktive Zweifel weist eine zartrosa Färbung auf, die ins Rötliche wechselt, wenn man ihn zerdrückt, während der belebende Zweifel weiß bleibt. Wir atmen auf. Den Unterschied sieht man sehr deutlich. Ich höre schon wieder einigelaunische Geister, die euch einreden wollen, ich hätte die Proben durcheinandergebracht, wir wären dabei, die Physiologie des Zweifels mit der von Röhrlingen zu verwechseln. Der Satansröhrling unterscheidet sich nämlich vom essbaren Röhrling durch ebendiese rote Farbnuance. Ich sage: Vorsicht! Mit dem Hinweis, dass sich in beiden Fällen diese rosa Färbung findet, entferne ich mich durchaus nicht vom Thema und streife pilzsammelnd durchs Unterholz, keineswegs, ihr zweifelt mir viel zu sehr. Ich entferne mich nicht, denn die Zweifel wachsen auf dem Waldboden unserer Taten wie die Röhrlinge im Halbschatten. Ihr seht, wir haben uns unnötigerweise beunruhigt, die Sache klärt sich ganz schnell auf. Seid nur vorsichtig, achtet auf diese heimtückische kleine Färbung und hört auf zu zweifeln, wenn ihr Bauchschmerzen bekommt: Dann habt ihr nämlich versehentlich den schlechten Röhrling geschluckt, versucht ihn auszuspucken und übertreibt es nicht. Wohingegen der Genuss eines guten, heilsamen Zweifels euren Geist belebt und euch hilft, die Klippe der Selbstgefälligkeit zu umschiffen. Vor dieser Klippe seht euch vor, wie schnell ist man dort gestrandet, allein und verzweifelt, denn die einsame Insel der Selbstgerechtigkeit ist gar nicht so lustig, wie man sich das immer vorstellt. Verspeist alsovon Zeit zu Zeit einen essbaren Zweifel und haltet aufs offene Meer zu.
Ich stelle fest, ihr hört gar nicht zu, ihr liegt faul auf eurem Bett und blättert ein bisschen zu achtlos in diesem Buch. Ich warne euch. Zwar liest es sich schnell, es ist leicht, beinahe flüchtig, aber der Boden unter ihm ist ungeheuer dicht. Geht nicht daran vorbei, traut nicht dem Schein. Euch fehlt das Maß: Entweder ihr lest zu viel, oder ihr trödelt herum, kontrolliert euch ein bisschen besser, das habe ich euch schon früher zehnmal gesagt. Ihr wollt doch nicht, dass ich es euch zum elften Mal sage, das nervt euch, ihr seid dagegen? Kann ich sehr gut verstehen, aber es ist zwanzig nach zehn, und wir können uns nicht den Luxus erlauben, uns weiter zu verspäten, falls eure Empörung um sich greift. Schade, ich bedaure das noch weit mehr als ihr, denn ich habe fürs Empören eine eindeutige Schwäche. Außerdem ist es gar nicht mal meine Schuld, sondern die des Themas. Des ehrgeizigen, anspruchsvollen. Das uns just da über den Weg läuft, wo wir am wenigsten mit ihm gerechnet haben. Das uns keinen Moment verschnaufen lässt, wir können gar nichts machen. Empört euch nicht über Kleinigkeiten, spart euch eure Energie für die Revolution auf.
Dabei gehören wir noch zu den
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