Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
privilegierten Leuten, das sollte uns klar sein. Weit beunruhigender sind andere Fälle, und die muss ich bei meinem Knäuel unbedingt berücksichtigen. Ich meine Leute, die gar nichts von der Existenz meines Kleinen Ratgebers von damals wissen, ja, die gibt es. Es ist die nackte Wahrheit, auch ich bin erstaunt. Aber die Zahlen sprechen für sich. 5 999 999 999 Personen haben das Büchlein nicht gelesen. Wie wollt ihr, dass unter diesen Bedingungen die Welt ihre Probleme gelöst hätte? Ergebnis dieser Gedankenlosigkeit: der Krieg. Obwohl ich mir damals sogar die Mühe gemacht hatte, meinen Ratgeber ein paar hundert heißen Kriegern, die auf den Vulkanen dieser Welt postiert sind, zu schicken, wobei ich für George die wichtigsten Stellen eigens unterstrichen hatte.
Und doch, Ergebnis gleich null. Angeblich waren die heißen Krieger mit den Gedanken nicht bei der Lektüre, das ist das Problem. Wenn man mit den Gedanken nicht bei der Lektüre ist, dann ist man mit ihnen bei der Maschinenpistole oder beim Bomber (auf dem Bomber?/im Bomber? Seht doch mal schnell im Wörterbuch … Nein, nicht unter »Antarktis«, unter »Bomber«, Herrgott noch mal, seid ein bisschen beweglich. Klammert euch nicht an eure erste Idee,das ist ja beinahe neurotisch. Wir sind schon eine gute Weile fertig mit der Antarktis, das ist Vergangenheit, wir sind mit aufgeblendeten Scheinwerfern unterwegs in die Zukunft, es ist Dienstag, möchte ich euch erinnern, und bereits heller Vormittag. Wir pfeifen darauf, dass wir das Problem mit »in« oder »auf« der Antarktis nicht gelöst haben, ich sagte euch doch, es hat keine vorrangige Bedeutung, bedenkt, dass ich in vier Jahren weder das Problem mit dem »ersten Besten« noch das mit dem »Kaffee im Café« noch das mit den »anstehenden Angelegenheiten« gelöst habe).
Beruhigt euch, nehmt ein Bad. Wenn ihr wollt, wenn ihr wirklich erleben wollt, wie die befriedete Sonne des Sieges glorreich am Horizont aufgeht, rot vor Vergnügen und nicht von Blut, und ihr gleichzeitig leichtfüßig und friedfertig aus eurem Bett springt, dann müssen wir mit diesen albernen Pingeligkeiten aufhören. Wenn ihr unter »Bomber« nichts findet, dann lasst es gut sein, verdammt, man muss seine Niederlagen auch einstecken können und nach vorn schauen.
Und so kommen wir unauffällig und ganz locker auf das Thema Liebe zurück, das wir uns hier und da noch mal ein wenig vornehmen müssen, denn so ist das Leben, dass es sich geradlinig vor uns abzeichnet mitseinen himmelschreienden Überraschungen. Aber das Thema Liebe ist mitnichten sehr komplex, es reicht, wenn wir in einigen Kernfragen den Nagel einschlagen. Keine Sorge, ich werde es ganz vorsichtig tun.
Ganz nebenbei frage ich mich, ob dieser vielfach verwendete Ausdruck den Nagel einschlagen von mir stammt. Oder von einem meiner Freunde, wo ich ihn gestohlen hätte, ohne es zu bemerken? Dem schon erwähnten Freund, der seine Ideen vor aller Augen herumliegen lässt, dass es eine regelrechte Aufforderung zur Gewalt ist. Es sei denn, der Ausdruck ist von mir. Nirgendwo in seinem Werk findet sich ein Hinweis, dass das Plündern von Ideen mit einjähriger Gefängnisstrafe geahndet würde. Wobei ich finde, dass ein Jahr Gefängnis übertrieben viel ist für zwei so lächerliche Ausdrücke wie »Entspannt euch« und »Den Nagel einschlagen«. Doch keine Bange, mit diesen juristischen Formeln schweife ich nicht etwa zu meinem Kriminalroman ab und zu der Geschichte von dem Typen, der in der Nacht einen Waldweg entlanggeht, und wer es ist und warum. Er geht übrigens weder spazieren noch ist er auf der Flucht, nicht im Geringsten, passt auf, dass eure Einbildungskraft nicht mit euch durchgeht. Er ist einfach auf demNachhauseweg, ohne zu ahnen, dass er an einer ganz gemeinen Stelle vorbeikommen wird. Doch lassen wir uns nicht mitreißen, hören wir hier auf. Ich weiß, ihr seid enttäuscht. Ich auch, aber wir haben Dienstag.
Ein Jahr Knast, das ist sogar enorm. Wo kommen wir da hin? Denn wer kann sagen, wo ich das Wort »abschweifen«, das Wort »Knäuel«, das Wort »Antarktis« herhabe? Wer kann wissen, ob es von mir, von meinem Freund, von Dumas, Montaigne oder einem von euch ist?
Brechen wir hier ab, ich weiß nicht, ob ihr euch bewusst seid, dass uns eure ethischen Skrupel einen Haufen Zeit kosten. Dieses Ethos ehrt euch, aber es hält uns auf. Wir haben zehn Minuten Verspätung (zehn). Dabei dürfen wir doch keinen Augenblick in unserer Wachsamkeit nachlassen,
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