Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
Familientradition, die weit, sehr weit zurückreicht, und ebendarum bin ich auch so versessen darauf, versteht ihr, diese kleine Streitschrift unter der Hand weiterzuverbreiten. Wer in den Krieg zieht, ist ein Tor, lies das deinem Nachbarn vor. Rein als Vorsichtsmaßnahme darum: Habt immer ein feines Batisthemd dabei für den Fall, dass ihr es schnell mal gegen einen Einberufungsbefehl tauschen müsst. Das ist eine List, kein Konzept. Ich flehe euch an, verwechselt nicht Listen mit Konzepten, sonst kommen wir nie weiter. Gloucester hat uns soeben Treibstoff geliefert, eine ausgezeichnete Nachricht, die Götter sind mit uns. Wenn ich »die Götter« sage, dann aus Jux. Denn es ist kein Holz, sie haben keins mehr, es ist gehäckselter Löwenzahn, vermischtmit Brennnesseln. Es heißt, so was brennt gut, das will ich sehen, nehmt die Ladung an Bord, setzt alle Segel, lasst die Leinen nach, fahrt die Maschinen hoch.
Ich persönlich bin nie zur See gefahren, ich habe Angst vor dem Meer.
Ich stelle fest, dass die Reihen der Ruderer sich ein wenig gelichtet haben. Ich schätze, wir sind noch an die dreitausendfünfhundert Männer und Frauen in diesem Abenteuer. Sehr gut, umso besser, nichts ist sympathischer, als sich im kleinen Kreis, unter Freunden zusammenzufinden. Dennoch macht diese Auflösungserscheinung mir Sorgen. Ich bleibe ruhig, doch ich überlege. Sollte das gewagte Manöver, von einem Mikrofaden zum anderen zu springen, während ich die Glückseligkeitsspule abrolle, euch ermüden? Ich strample mich ab in dem Bemühen, das Innere der molekularen Mikromasse des Problemfadens für euch aufzubereiten, und das ermüdet euch? Aber wenn ich das tue, dann doch nur zu eurem Wohl. Ich destilliere euch Ideen so leicht wie Seifenblasen, ich hüpfe von einer zur anderen, um keine zu übersehen, ich mache Mikrogeschichte, Mikropsychologie und Makrokonzepte, die sich so angenehm auf der Haut tragen wie feiner Batist, und ihr verliert den Faden?
Wäre es euch vielleicht lieber gewesen, ich hätte das gegenteilige Verfahren gewählt? Ich hätte euch die grob behauenen Konzepte eins neben das andere packen können wie Rinderkeulen auf die Fleischbank des Metzgers. Ich hätte die raue Wirklichkeit ohne jede Rücksicht vor euch hinknallen können, mich mit Dinosaurierschritten oder mit Krötensprüngen fortbewegen können, statt den anmutigen Flug des Mauerseglers nachzuahmen. Meint ihr, diese Strategie würde euch eher erleuchten? Nun gut, ich hatte euch ja ein Beispiel aus der rauen Wirklichkeit versprochen, machen wir doch mal einen Test.
Mir scheint, dieser neue Treibstoff aus dem Löwenzahngehäcksel liefert keine sehr überzeugenden Resultate. Die verarschen uns, die Jungs in Gloucester. Die Turbinen lassen in der Leistung nach. Ich schlage vor, wir schicken eine zweite Reihe Ruderer ins Zwischendeck, setzt euch bequem hin, spuckt in die Hände. Kurswechsel hart am Wind, und weiter geht’s.
Das erwähnte Beispiel aus der rauen Wirklichkeit ist rau und ohne jede Anmut, entspannt euch, kann sein, es belastet euch auf Dauer. Und hierum geht es: Vier Prozent der 250 größten Vermögen in der Welt würden ausreichen, den gesamten afrikanischen Kontinentzu ernähren, wartet, das war noch nicht alles. Zehn Prozent (nicht aufs Komma genau, aber doch in etwa dieser Größenordnung) derselben 250 Vermögen könnten die ganze Welt am Leben erhalten. Und es wird euch nicht überraschen, wenn ich hinzufüge, dass diese 250 Leute keinen Finger krumm machen, sich noch nie im Freundeskreis zusammengesetzt haben, um darüber zu diskutieren, ja sich über diesen geringen Prozentsatz überhaupt keine Gedanken machen. Aber es ist nicht ihre Schuld, sie wissen es gar nicht, drehen wir siebenmal unsere Zunge, bevor wir das Weltvermögen jemand anders zuspielen.
Die Aussage liegt auf der Hand, sie ist brutal, ich denke, ihr erfasst sie auf Anhieb, und ich schwöre, es ist die reine Wahrheit, so wahr, wie Boniface das gesamte Hemd durch den Ring bekam. Aufgerundet haben wir in etwa dieses Kräfteverhältnis: zu meiner Rechten 800 Personen, die ihre monströsen Vermögen wie die Irren nur immer wieder neu platzieren, und zu meiner Linken drei Milliarden Menschen, die, gelinde gesagt, am Abgrund stehen.
Ich hoffe, das hat euch einen Schock versetzt.
Erholt euch erst mal davon. Legt die Ruder hin, gehen wir vor Anker.
Trinken wir etwas Süßes, zeichnen wir eine Ente. Nein, keinen Mauersegler, eine Ente, werft nicht alles durcheinander. Das
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