Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben
wenn ihr mir nicht glaubt. Seltsam, diese Manie von euch, alles überprüfen zu wollen, was ich sage, wie soll ich das verstehen? Ich ziehe es vor, darüber hinwegzugehen. Legt euer Stück Faden auf ein dünnes Plättchen, gebt einen Tropfen Glyzerin darauf, stellt die Schärfe ein und schaut durch, muss ich euch denn alles sagen. Was seht ihr?
Einen Schwarm kleiner Tierchen?
Lasst mich mal.
Überhaupt nicht, das sind die Millionen faseriger Partikel der Mikrofäden, aus denen der Faden sich zusammensetzt. So ist es bei jeder Materie, man nennt es das unendlich Kleine, seht in euren Schulbüchern nach, lest mal wieder Blaise Pascal. Das ist nervig, ich weiß, aber die Utopie verlangt nun mal ein paar Opfer. Jetzt versteht ihr, dass wir nicht völlig planlos von einem Thema zum anderen springen. Das hat uns einpaar wertvolle Minuten gekostet, aber dieser Umweg übers Labor wird nicht umsonst gewesen sein.
Wir springen nicht. Wir untersuchen die Mikrofäden des einen großen Fadens mit ihren unendlich vielen Nuancen, die scheinbar chaotisch verlaufen, in Wirklichkeit aber streng geordnet sind. Ihr könnt euch also entspannen, es wird sich alles finden. Und nicht nur springe ich nicht aufs Geratewohl durch die Themen, sondern packe euch auch das Fundament mit kaum wahrnehmbaren Konzepten voll, was wollt ihr eigentlich mehr? Ohne dass ihr’s bemerkt habt, seid ihr mitten in einem bis in seine kleinsten Details meisterlich organisierten Werk. Ihr verliert euch in diesen Details? Ich nicht. Entspannt euch, es passt schon alles zusammen. Ein unmerkliches Band verbindet alle diese winzigen, scheinbar blödsinnigen Kommentare, die sich ihrerseits zu größeren Zusammenhängen fügen und diese wiederum zu globalen Ideen, aus denen eure Glückseligkeit erwächst. Zu globalen Ideen kommt man nicht über globale Ideen, ganz eindeutig nicht, wo habt ihr das aufgelesen? Globale Ideen entstehen aus der Kumulation kleinster Dinge, abgeschnittene Nägel inklusive. Denkt mal nach.
Voilà, und so durchstreifen wir die exponentielle Masse der kumulierten Details ‒ entschuldigt, ichglaubte, das hättet ihr von Anfang an begriffen, aber es stimmt, ihr kamt ja gerade erst aus dem Wasser und wart in einem kritischen Zustand von Überdosierung ‒, die Masse der Details also, die die synergetische Gesamtheit des Knäuels bilden, in welchem ihr euch befindet. Ebenso wie mein Vorfahr Delphin. Jenes Knäuels, das wir nun mit zunehmender Geschwindigkeit abwickeln, fahrt mir bloß diesen Kessel hoch, ich pfeife auf die Ventile.
In meiner Familie ist, sobald es zum Krieg kommt, plötzlich keiner mehr zu sehen. Das nenne ich Mut.
Ganz nebenbei bemerkt, wir haben immer noch nicht mehr Freiwillige an den Rudern. Ihr sträubt euch, steht stocksteif da, euer FW glänzt im Morgenlicht. Geht mir doch mal ein bisschen zur Hand, ihr Faulpelze. Glaubt ihr, selbst bei meiner ungewöhnlichen Kraft könnte ich den alten Kahn ganz allein von der Stelle bewegen? Also bitte, ein paar Leute an die Ruder, ich verlange ja nichts Unmögliches von euch. Es geht um eure Glückseligkeit, darf ich euch daran erinnern. Wir setzen uns alle auf die Ruderbänke und legen uns ordentlich in die Riemen, so im kleinen Kreis, unter Freunden. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn einer von den Jungs oder Mädels dasTempo vorgeben würde, danke, wozu habt ihr schließlich eure Trommeln mitgebracht. Und schon fliegen wir wie der Wind, gut so. Doch wenn wir uns immer wieder bei solchem Mist aufhalten, schaffen wir es nie bis Samstag. Ich bin ganz ruhig, aber so richtig auch wieder nicht, es ist elf Uhr und der Donnerstag schon halb vorbei.
So war es auch bei meinem Ahn Boniface (das war sein Vorname, zu der Zeit hieß man so), der teuflisches Genie bewies. Nun sagt mir nicht, ihr habt schon wieder den Faden verloren, dann kriege ich die Krise. Macht ihr das, um mich zu ärgern, oder was? Erinnert euch an Delphin, den Revolutionär von 1830 und 1848, der, konsequent bis zum Schluss, sich auf dem kleinen Friedhof von Villiers-d’Écaudart begraben ließ unter einem runden Feldstein ohne Kreuz, auf dem nur diese Worte standen: Mehr ist nicht . Das Grab erregt noch immer Aufsehen auf dem kleinen normannischen Friedhof, der mit seinen regensatten Wiesen die schlammbespritzten Kühe auf den Weiden überragt. Mehr ist nicht. Lasst euch das mal zwei Sekunden durch den Kopf gehen, doch vergesst dabei das Rudern nicht, ihr seht, ich lasse im Tempo auch nicht nach, wir dürfen
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