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Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben

Titel: Von der Liebe, linken Händen und der Angst vor leeren Einkaufskörben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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denn in puncto Tugendhaftigkeit, muss ich euch sagen, ist Maximilien uns um hundert Längen voraus, unmöglich, ihn zu einem Drink zu verleiten. Es hätte keinen Sinn, wenn ich euch dieses lange Gespräch mit Max hier wiedergeben würde, es führte uns einfach zu weit, wir sollten lieber strikt unserem Plan folgen. Segeln wir weiter, wir sind nur noch neunhundert, unsere Personaldecke ist erschreckend dünn geworden. So ist es meistens mit Utopien, Hunderttausend zählten wir zu Beginn … doch nur Hundert noch, als wir im Hafen angelangt (diese Verse stehle ich Corneille, indem ichsie mir für meine Zwecke zurechtschneide, er ist nicht der Typ, der mir das verübeln würde, nein, ich glaube nicht). Gehen wir also in die große Bar von Montparnasse, statt uns in der Gare de Lyon einen abzufrieren, es ist hier inzwischen zu weit für uns geworden, zu düster und menschenleer, dort ist es gemütlicher und wird es sich auch viel angenehmer diskutieren lassen.
    Die Liebe.
    Wir waren bei der Liebe.
    Notiert euch nebenbei auf einem Kärtchen, dass es eine direkte Verbindung gibt zwischen eurer Glückseligkeit und eurer zu Unrecht verachteten linken Hand. Eurer linken Hand, die, zögernd und unbeholfen, immer im Schlepptau der anderen ist, längst nicht so kräftig ausgebildet wie die rechte, weniger schnell und weniger aufbrausend, schlichtes Gelegenheitszubehör zur Pannenhilfe, die aber auf keinen Fall eure blinde Gleichgültigkeit verdient. In unserer haarsträubenden Unwissenheit schleppen wir diese linke Hand nachlässig mit uns herum, ohne zu ahnen, welch unerschöpfliche Summe von Wohltaten sie birgt, genau wie wir auch unserer gesamten Rückansicht nicht die geringste Beachtung schenken. Das ist eine riesige Dummheit mit weitreichenden Folgen.Glaubt ihr, die Natur hätte uns aus reiner Schusseligkeit eine unbedarfte, tollpatschige linke Hand und gleichzeitig eine virtuose und leicht totalitäre rechte Hand angedreht? Macht keine Witze. Es war Absicht, Berechnung. Wir aber, verführt vom diktatorischen Ungestüm unserer rechten Hand und nur darauf aus, mit unserem frontalen Erscheinungsbild zu glänzen, wir scheren uns einen Dreck um das, was sich die Natur für uns ausgedacht hat. Das ist ein schwerer Fehler. Denn, und das ist nur ein winziges Beispiel, Tugenden wie die Nutzlosigkeit, das Nichtstun und die Langsamkeit finden sich alle in unserer hohlen linken Hand, keinesfalls in der rechten. Im ersten Kleinen Ratgeber damals hatte ich mich auf die unübersehbaren Stärken unserer rechten Hand konzentriert, dafür gab es dringende Gründe, ihr erinnert euch. Das ist inzwischen Schnee von gestern, unsere Schultern sind gelockert, der Bauch ist entspannt, das Gesicht geglättet. In der heutigen kleinen Schrift nun nehmen wir uns unsere linken Körperteile vor, von deren Existenz ihr kaum etwas ahnt. Aber wie wollt ihr, dass eure Leiter steht, und wie wollt ihr euch in aller Ruhe auf die Sprossen der Glückseligkeit setzen, wenn diese Leiter nur einen Holm hat? Ein Gerät mit nur einem Holm heißt übrigens Stange, ihr sollteteuren Wortschatz mal gründlich überholen. Und eine Stange taugt wohl zweifellos zum Überspringen so mancher Hindernisse, aber keinesfalls dazu, zu seinem Wohlbefinden aufzusteigen.
    Ihr seht.
    Wohingegen man auf einer Leiter durchaus sein Leben zubringen kann. Und wenn ich »Leiter« sage, so ist das ein kleiner Trick, damit ihr mich schneller versteht. Denn, genauer gesagt, meine ich eine Stehleiter , das heißt ein vollkommen autonomes Gerät, das man nicht mehr an eine Wand lehnen muss, es steht von allein. Ihr steht von allein, Wir stehen von allein. Ruhig, lächelnd, entspannt, mit dem Hintern sicher auf dem Podest unserer ganz ausgefallen in Lila gestrichenen Leiter sitzend. Aber natürlich könnt ihr euch ein Kissen mit hinaufnehmen und etwas zum Lesen, ich empfehle es euch sogar. Auch die Trommel, wenn ihr wollt. Das Tolle an der Stehleiter ist ja, dass sie vier Holme hat, nicht nur zwei wie die Anstellleiter, und auch wir haben vier. Wenn ihr euch mal die Mühe macht nachzuzählen, statt schon wieder zu zweifeln, werdet ihr feststellen, dass ich recht habe: eine Vorderseite, eine Rückseite, eine linke, eine rechte Hand, macht vier. Seinerzeit hatten wir uns diebeiden vorderen Holme unserer Glückseligkeit vorgenommen, heute machen wir uns an die beiden hinteren, die viel unauffälliger, viel bescheidener, aber für die Ausgewogenheit der Sache gleichwohl entscheidend sind. Versteht

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