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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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widersprech ich mir selbst. Ich bin weiträumig, enthalte Vielheit.« Und dann brach er in Gelächter aus und schlug mit einer Faust auf die Bank, als sei es das Lustigste, das er je gehört hatte. »Verdammt, Mädchen. Was du alles aus mir herausholst.«
    »Das hier ist ernst. Ich glaube, du missverstehst vielleicht –«, fing ich an, doch er unterbrach mich.
    »Ich glaube, ich fange endlich an zu verstehen. Die Sache ist die: Du bist immer dieselbe gewesen. Du hast vielleicht auf dem Luftschiff eine Zeit lang so getan, als seist du ein Mensch, aber du wusstest nicht wirklich, wie es ist, und du hast auch nicht wirklich versucht, es zu verstehen. Aber ich bin schon vieles gewesen, und jetzt lebe ich mein drittes Leben, und langsam erkenne ich, dass für mich andere Regeln gelten.«
    »Die Regeln des Bludvolkes sind unumstößlich.«
    Er beugte sich vor, eindringlich und angespannt. »Das sagst du andauernd, aber genauso andauernd vergisst du, dass du dabei bist, die Königin des verdammten Bludvolkes zu werden. Ist denn nicht die Königin diejenige, die die unumstößlichen Regeln macht? Ist das denn nicht überhaupt der Sinn dabei, dass man eine Königin hat?«
    Mir blieb der Mund offen stehen, und in meinem Kopf drehte sich alles. In all meiner Weisheit und Wildheit hatte ich nie daran gedacht, dass, sobald Ravenna tot war, ich die völlige Kontrolle hatte – über alles. Vor lauter Sorge, dass jemand mein Blud in Caspers Adern riechen oder mich bloßstellen könnte, weil ich einen einfachen Bürger in meiner Nähe behielt, war mir gar nicht der Gedanke gekommen, dass ich ihn ja selbst erheben konnte. Ich konnte ihm Land geben, ihn zum Baron machen oder eine Geschichte über seine mysteriöse Herkunft erfinden. Ebenso wie ich das war, was ich selbst auf dieser Reise aus mir gemacht hatte, so konnte er alles sein, was ich mir wünschte.
    Das Volk könnte mich nicht aufhalten, selbst wenn es das versuchte.
    Meine Eltern und Hauslehrer hatten mich erzogen, zu glauben, dass unsere Familie von den Göttern, von Aztarte selbst, auserwählt sei, um zu herrschen. Sie hatten mich dazu erzogen, blutdürstig, stolz und eigensinnig zu sein. Sie hatten versprochen, mir Sicherheit zu bieten, und sie hatten versagt. Ich war nur deshalb noch am Leben, weil Casper mich gerettet hatte, immer wieder. In der Tat war er meine Familie geworden.
    Von diesem Augenblick an weigerte ich mich, mir weiter Sorgen darum zu machen, ob ich von meinem eigenen Volk akzeptiert würde. Indem ich Casper verwandelt hatte, hatte ich mir selbst mehr als einen Diener oder Begleiter gegeben. Ich hatte mir einen Gleichgestellten, einen Partner geschaffen. Was auch immer er gewesen war, als er geboren wurde und als er mich gefunden hatte, nun floss das Blud der königlichen Familie Frostlands in seinen Adern.
    Ich schluckte, weil ich einen lichten Moment der Erkenntnis spürte.
    »Casper, dein Buch. Das Gedicht. Wie heißt es noch mal?«
    »›Grasblätter‹?«
    »Nein, das andere.«
    »›Gesang von mir selbst‹?«
    Ich lachte. Zuerst nur ein Kichern, aber es schwoll rasch zu lautem Gelächter an. Er beobachtete mich, verzaubert und belustigt, aber zugleich verwirrt.
    »Das ist es. ›Gesang von mir selbst‹. Ich schreibe meinen eigenen Gesang. Die Worte und die Musik. Das tun wir alle. Jeder Einzelne von uns. Bludvolk und Pinkies. Und ich schreibe die Regeln.«
    Er nickte. »Alles, was die Seele befriedigt, ist Wahrheit.«
    Ich schnaubte und wischte mir über die Augen. »Philosophisch gesehen vielleicht. Aber bevor wir anfangen können, diesen Gesang zu schreiben, müssen wir Ravenna schlagen. So lange sie nicht verschwunden ist, wird deine Wahrheit dazu führen, dass du gepfählt und ausgeblutet wirst, unter allgemeinem Gelächter und dem Trällern eines Cembalos, und dann sind all deine Träume verloren. Du musst die Regeln lernen und heute Nacht nach ihnen spielen.«
    »Dann erzähle mir von deinen Regeln, Liebes, und ich werde sehen, ob ich spielen will.«
    Ich lehnte mich zurück, um ihn zu betrachten, und die Perlen und Knöpfe meines Kleides gruben sich in meine Schultern. Wie fasste man tausende Jahre Überlieferung in einen einzigen Vortrag zusammen?
    »Erstens, Bludmenschen bei Hofe sind nur selten dumm. Du darfst niemandem einen Grund geben, dich herauszupicken, dir eine Falle zu stellen oder gegen dich zu kämpfen. Denk an eine Meute Jagdhunde oder ein Rudel Wölfe. Vielleicht versucht man, dich von meiner Seite zu vertreiben, aber lass

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