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Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
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Geschmacks der Tinte. Dann rieb er sich über Schläfen, Augen und Nasenspitze, sodass eine einfache, grobe Maske daraus wurde, mit Konturen in dunklem Jägergrün. Es ließ seine blauen Augen hervorstechen, strahlender, wilder und geheimnisvoller denn je.
    »Und?«, fragte er.
    Ich unterdrückte den drängenden Wunsch, ihn noch einmal zu küssen, und öffnete die Kutschentür. »Es wird reichen müssen«, sagte ich.
***
    Es war kein Problem, in der Menge unterzutauchen, die ohne Eile über den befestigten Weg in den Schatten des Eiswaldes schritt. Die Frauen raschelten wie Vögel, ihre Kleider reflektierten das Licht der Laternen und des Mondes und funkelten so, dass mir Punkte vor den Augen tanzten. Die Männer waren ähnlich prächtig gekleidet, wenn auch etwas gemäßigter; ihre Westen und Krawatten leuchteten in strahlenden Farben zwischen seriösen Jacketts und Hosen in Schokoladenbraun, Marineblau und Oliv. Casper war einer von nur wenigen Dandys, an Glanz und Glitzer nur übertroffen von zwei hochgewachsenen schlanken Herren in flottem Frack und sorgfältig gepflegtem Bart unter ihren Halbmasken. Ich erkannte sie von früheren Bällen wieder als viel gefeierte Tänzer und Mode-Trendsetter aus der Stadt. Als ich ihre schwarz geschminkten Augen auf mir fühlte, drehte ich mich trotz meiner Maske zu Casper hin und klammerte mich fester an seinen Arm, als ich eigentlich wollte. Es gereichte ihm zur Ehre, dass er sich nicht beschwerte.
    Ich war diesen Weg noch nie gegangen und hatte noch nie das Geplauder der Frauen gehört, die nun über den Ball des vergangenen Jahres klatschten, und dass es ein halbes Jahr Arbeit gebraucht hatte, um Ravennas Kleid zu besticken. Wenn das Gewisper stimmte, war Ravennas Maske aus dem Schweifhaar eines Einhorns geknüpft, und mein Bruder fühlte sich gut genug, um zu erscheinen; etwas, das nie geschehen war, solange ich im Palast gelebt hatte. Casper versuchte, mit mir zu reden, doch ich bedeutete ihm zu schweigen und versuchte, nicht zu atmen. Jedes Wort, das ich hörte, war eine weitere Waffe in meinem Arsenal, eine weitere winzige Klaue, mit der ich meine Beute zu Fall bringen konnte. Diese prächtigen Geschöpfe um uns herum wussten so einiges, was nicht in Zeitungen stand.
    Der Wald schloss sich über uns, mit Bäumen, die so hoch wuchsen wie die Basilika in der Stadt, wo wir uns gestern geküsst hatten. Gestern, als alles noch einfach war, und bevor wir Keen verloren hatten. An der Art, wie Casper sich in der Menge umsah, konnte ich erkennen, dass auch er an sie dachte. Als würde sie uns vielleicht heimlich folgen, wie sie es immer getan hatte, verborgen in den Schatten und darauf wartend, uns mit ihrem merkwürdigen Akzent und noch merkwürdigeren Worten anzumaulen. Aber wäre sie hier gewesen, hätten wir ihren Geruch wahrgenommen, so wie jeder andere Bludmann auch. Das Mädchen wäre in Sekundenschnelle ausgeblutet, als kleine Stärkung vor dem Fest, in etwa so wie die Herren auf der Maybuck sich einen Schluck Whiskey genehmigt hatten, bevor sie ihre Mädchen bestiegen.
    Unter dem Dach aus Ästen und Zweigen war die Nacht noch dunkler. Laternen hingen in den Bäumen und spendeten ein unwirkliches schwankendes Licht, das mich an die Märchen meiner Kindheit erinnerte. Manche Laternen waren aus durchstochenem Zinn, manche hatten die Form von Papierkugeln und wieder andere waren kleine Feuerschalen an Ketten. Es gab sogar ein paar mährische Sternenleuchten, die mir ein Lächeln entlockten, als ich an meinen Aufenthalt mit Casper im Gasthaus dachte. Nie wieder würde ich einen glitzernden Stern mit denselben Augen betrachten. Er drückte meinen Arm, und ich erkannte, dass wir diese Erinnerung teilten, und dass sie ihm möglicherweise ebenso viel bedeutete wie mir. Immerhin war es seine Wiedergeburt gewesen. Doch auch mich hatte das, was dort geschehen war, verändert; das wurde mir immer mehr klar. Als hätte ich, als ich so viel seines Blutes in mich aufnahm, gleichzeitig einen Teil seiner Menschlichkeit in mich aufgenommen. Das Fehlen jeglicher Wut darüber, dass ich mich verändert hatte, war an sich schon aufschlussreich. Sein Lächeln sagte mir, dass er es vielleicht nicht mehr so sehr bedauerte wie zuvor.
    Vor uns gabelte sich der Weg; die Damen gingen links weiter, die Herren rechts. Mir blieb nur ein Moment, Casper einen verzweifelten Blick zuzuwerfen, bevor wir getrennt und um einen Steinbrunnen herumgeleitet wurden, in dem mit Blut gemischter Champagner sprudelte.

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