Von der Liebe verschlungen
mitfühlend wäre, könnte ich zerreißen. Aber er rührte sich nicht und streckte auch die Hand nicht nach mir aus. Er wartete auf etwas, auf eine Art Zeichen, und ich wusste nicht, wie ich es ihm geben sollte.
»Danke«, flüsterte ich.
Ich hätte schwören können, dass er lächelte. Und erst, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging mir auf, dass ich gerade eine Regel gebrochen hatte:
Eine Prinzessin bedankt sich nicht.
***
Selbst nach drei Phiolen Blut konnte ich nicht einschlafen. Ich hatte mich entschieden, und jetzt war ich nervös und konnte kaum erwarten, es hinter mich zu bringen.
Ich holte ein Buch von dem kleinen Regal, das in die Wand eingelassen war, und verlor mich in einer Sorte Roman, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierte. Es war nun einmal ein fliegendes Bordell. Und trotz meiner bangen Vorahnungen war es ein sehr lehrreicher Nachmittag.
Als Casper an die Tür klopfte, sprang ich auf und schob das Buch unter mein Kissen, bevor er die Tür öffnen konnte.
»Mach dir gar nicht die Mühe, mit mir zu streiten. Ich begleite dich dorthin, das ist das Mindeste.«
Ich nickte und merkte, wie mein Mundwinkel zitternd nach oben ging.
Mir schlug das Herz so heftig in der Brust, dass ich schon damit rechnete, dass man es durch das blaue Seidenkleid hindurch sehen könnte. Mein Korsett und meine Kleidung hatte ich bisher nicht zurückbekommen, und ich fragte mich, inwiefern das Coras Werk war. Als ich Casper durch die Gänge folgte, war ich mir der Geräusche hinter jeder einzelnen Tür, an der ich vorbeikam, sehr bewusst. Stöhnen, Lachen, das Klatschen von Leder auf Haut, und in einem Fall männliches Schnarchen, das an einen Bären in den letzten Zügen erinnerte.
Schließlich erreichten wir das Perlenzimmer. Unter dem Schild an der Tür war eine Nische, in der eine bedruckte Visitenkarte steckte. Auf cremeweißem Papier stand in eleganter Schnörkelschrift »Miss Cora Pearl«. Ich holte tief Luft, strich mein Kleid glatt und klopfte.
»Ich bleibe genau hier«, flüsterte Casper.
»Bitte nicht. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen –«
»Komm herein, Liebes«, rief Cora mit einer Stimme, so süß wie Glöckchen im Winter. Sie sollte locken und bezaubern, aber nichtsdestotrotz ließ sie mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich beendete den Satz nicht, aber Casper entfernte sich rückwärts gehend von mir. Die Hilflosigkeit in seinem Blick war wie ein stummer Schrei, und sein Mund war zu einem harten Strich zusammengepresst.
Ich schlüpfte hinein und bemühte mich, nicht an meine Schande zu denken. Ich hätte wetten können, dass keine frostländische Prinzessin je wissentlich das Zimmer einer Kurtisane betreten hatte.
»Willkommen, Schätzchen«, schnurrte sie vom Bett aus. »Ich habe dich erwartet. Dann hast du also deine Wahl getroffen?«
»Ich bin da, oder nicht?«
Ich lehnte mit dem Rücken an der Tür, die Arme verschränkt. Cora hatte sich in einem langen, kunstvoll drapierten Kimono in Pose geworfen. In einer Hand hielt sie eine Karaffe aus grünem Kristallglas und in der anderen einen eleganten Glaskelch mit dunklem Rotwein. Ihr Haar war perfekt glatt, ihre Lippen leuchtend rot und makellos. Ihr Lächeln verriet Macht und selbstgefällige Arroganz. Das Zimmer war viel größer als meines und in elegantem Orient-Stil eingerichtet, mit Kranichen und Chrysanthemen, und mittendrin hatte sie sich platziert, wie eine Perle auf Samt.
»Wein?« Sie hielt mir den Kelch hin.
»Natürlich nicht.«
Ihr Lachen vibrierte, als sie den Raum durchquerte, um unangenehm nahe bei mir stehen zu bleiben.
»Oh, Schätzchen, man hat dir aber wirklich gar nichts erzählt, oder? Du musst aus einem Waisenhaus stammen. Du kannst Wein trinken, so lange er mit Blut gemischt ist. Es wird dir helfen, dich zu entspannen.«
Natürlich wusste ich das. Bei den Festlichkeiten im Palast gab es ganze Tische mit Köstlichkeiten: Blut, in Bonbons, alkoholische Getränke und leckere Törtchen gemischt. Doch das brauchte sie nicht zu wissen.
Sie trank einen Schluck und schloss genussvoll die Augen, während der Wein durch ihre Kehle lief.
»Es sind keine Drogen darin, Süße. Siehst du?«
Ich nahm den Wein, als sei es eine Mutprobe, und trank den ersten Schluck mit einem rebellischen Blick auf meine Erpresserin. Aus der Nähe konnte ich sehen, dass sie ihre Augenbrauen durch Farbe voller wirken ließ, und dass ihre langen dunklen Wimpern klitschnass vor Tusche waren. Die winzigen
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