Von der Liebe verschlungen
erwartet, dass ich die ganze Nacht für die neuen Passagiere spiele. Versprich mir, dass du niemandem die Tür öffnest.«
»Wie Keen schon sagte, du bist nicht mein Vater.« Ich setzte mich auf und funkelte ihn an, geblendet vom plötzlichen Licht.
»Das weiß ich. Natürlich weiß ich das«, gab er unwirsch zurück. »Aber du kannst dich selbst nicht verteidigen, ohne preiszugeben, was du bist. Cora weiß es schon. Wir brauchen nicht noch mehr Mitwisser. Und wir wollen auch nicht auf uns allein gestellt in Barlin landen. Es sei denn, du sprichst Preußisch?«
»Nee.«
»Ganz genau. Wir haben keinerlei Geld. Was auch immer dabei herauskommt, wir sitzen auf der Maybuck fest. Sobald wir in Frostland gelandet sind, hast du das Sagen. Aber bis dahin tust du, was ich sage.«
»Tue ich das?« Ich stand auf und trat mit amüsiertem Lächeln einen Schritt auf ihn zu.
»Ja, tust du.«
»Und was, wenn ich nicht folgsam bin?«
»Du meinst, wenn du wieder allein losziehst? Dann fessle ich dich und sperre dich hier drin ein.«
Er schlüpfte aus seinem Hemd, und ich versuchte, nicht auf seinen muskulösen Oberkörper zu starren, während er im Koffer nach einem frischen Hemd kramte.
»Das würdest du nicht wagen.«
»Ich habe jede Menge Krawatten dabei. Stell mich auf die Probe.«
Er zog ein neues Hemd an und drehte sich zu mir um. Er stand so nahe, dass ich seine Wimpern sehen konnte. Sie waren weißblond am Ansatz und goldbraun an den Spitzen. Hübsch. Und er hatte eine Schroffheit an sich, eine Kraft, die ich zuvor nicht gesehen hatte. Etwas, das er im Zaum hielt; aber es lauerte hinter dem Sonnenschein und den Grübchen.
»Mir hat noch nie jemand gedroht«, sagte ich.
»Außer Cora.«
»Richtig. Außer ihr.«
»Und dem Piraten.«
»Ja, und sieh nur, was mit ihm passiert ist.«
»Nur gut, dass ich mich nicht selbst in die Nieren boxen kann.«
Und dann, in perfektem Einklang, fingen wir an zu lachen. Ich spürte Erleichterung – und ein merkwürdiges Schwindelgefühl, als würde Coras Wein noch immer durch meine Adern fließen.
»Aber es muss doch eine Möglichkeit für mich geben, etwas frische Luft zu bekommen. Sonst werde ich irgendwann noch ohnmächtig, Casper.«
Er grinste. »Im Augenblick darf niemand nach oben auf Deck. Die Diener dekorieren es für ein besonderes Abendessen. Aber ich kann dich in die Bibliothek bringen, solange du dir keine Sorgen machst, was Fenster angeht. Sie wird wirklich nur selten benutzt, denn die Herren sind viel zu sehr anderweitig beschäftigt, und die Stühle sind auch nicht geräumig genug für zwei Personen. Aber sie bietet eine großartige Aussicht.«
Er reichte mir meine Handschuhe und streckte den Arm aus. Ich zog sie an, um meine Hände zu verbergen, und er geleitete mich über den Flur in die entgegengesetzte Richtung von Coras Zimmer. Ich fügte die neuen Flure zu meiner geistigen Landkarte vom Innenleben des Schiffes hinzu, war aber dennoch überrascht, als wir zu einer hölzernen Wendeltreppe kamen. Ich hatte nicht gewusst, dass das Schiff mehr als eine Etage besaß. Als ich es vom Boden aus hätte betrachten können, hatte ich flach auf dem Boden gelegen, mit dem Gesicht nach unten.
Anstelle von Zimmern, die nach edlen Stoffen benannt waren, kamen wir nun an Küchen, stampfenden Maschinen und einer Metzgerei vorbei, voll mit Eis und hängenden Kadavern, die schwer nach Blut rochen. Schließlich öffnete Casper die Tür am Ende des Korridors und enthüllte ein Zimmer voll wohltuendem Licht und frischer Luft. Zwei große Buntglasfenster, die wie weiße Rosen geformt waren, verliehen allem einen warmen Schimmer.
Nein. Kommando zurück.
Die Fenster waren geformt wie Brüste. Aber eines war offen und ließ eine kühle Brise herein, und mehr Sonnenschein, als ich seit Tagen gesehen hatte. Bequeme Sessel mit üppigen Kissen standen unter den Fenstern, und die Wände waren voller Bücher. Mitten im Zimmer stand ein Tisch mit einem Globus, mehreren seltsamen Geräten, einem Luftbefeuchter und einer Flasche mit einer goldenen Flüssigkeit darin, die keinen Boden hatte, sondern mit der Bewegung des Schiffes hin- und herrollte.
»Du wirst hier drin nicht gerade Sangs großartigste Literatur finden.« Casper drehte ein dünnes Büchlein auf den Kopf, und zwischen den Seiten klappte ein Faltblatt heraus, das eine maskierte Frau zeigte, die etwas ganz Unerwartetes mit einem Sonnenschirm anstellte. Ich zog eine Grimasse. »Aber wahrscheinlich lässt sich hier etwas
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