Von der Liebe verschlungen
Knochenstücke waren hineingeflochten. Er war gebaut wie ein Bär, mit riesigen Armen und schwieligen Pranken. Eines seiner Augen hatte die Farbe von Honig, das andere war unter einem schwarzen Lederflicken verborgen. Er war bis an die Zähne bewaffnet, und seine Waffen schwangen bei jedem Schritt mit. In seiner Hand befand sich ein merkwürdiges C-förmiges Stück Holz, das genauso aussah wie das, welches neben Casper zu Boden gefallen war.
»Was willst du?«, fragte ich leise.
Statt einer Antwort grinste er langsam und enthüllte einen Mund voller Metallzähne. »Das hier ist die Maybuck «, antwortete er und spuckte auf den Plüschteppich. »Was denkst du denn, weswegen ich hier bin, Schätzchen?«
Ich wimmerte – und machte schnell ein Knurren daraus. Er kicherte und kam näher, während sich gleichzeitig noch zwei Gestalten gegenseitig durch die Tür schubsten, wie Welpen, die einem großen Hund hinterherrennen und hoffen, dass er ihnen etwas übrig lässt.
»Versuch mich anzurühren, und ich reiße dir die Kehle heraus, das schwöre ich.« Ich musste meine Stimme erheben, um mir über das Geschrei, das Stampfen und den Kampflärm vom Deck über uns Gehör zu verschaffen. Ein schneller Blick auf Casper zeigte mir, dass er noch immer bewusstlos war. Er atmete, war aber diesmal eindeutig nicht in der Lage, mich zu retten. Nicht, dass ich unbedingt gerettet werden musste.
»Was soll’n das, eh?«, fragte einer der beiden anderen Piraten, und seine hohe Stimme klang aufgeregt. Er war klein und so nervös wie ein durchgedrehter Bludlemming.
Der Dritte war schweigsam und schlank; er hielt eine Armbrust und trug einen frostländischen Mantel mit hohem, trichterförmigem Kragen und einen Bowlerhut, den er tief über eine lederne Schutzbrille ins Gesicht gezogen hatte. Irgendetwas an ihm kam mir bekannt vor. Ich atmete tief ein und hoffte auf Hinweise.
»McHale, du Trottel. Mach die Tür zu.« Ich hatte kaum registriert, dass der große Pirat näher gekommen war, aber jetzt war er so nahe, dass seine kräftigen Beine sich gegen den knirschenden Bettrahmen drückten.
»Gandy, du hältst sie fest, wenn sie abhauen will.«
Ich drückte mich mit dem Rücken gegen die Wand und fuchtelte mit dem Messer herum. Ich war drauf und dran, ihnen meine Zähne zu zeigen und mich damit als Bludfrau zu erkennen zu geben.
Die Tür schloss sich leise, und es wurde still. Ich betrachtete McHale, und da packte der erste Pirat meinen Knöchel und riss mich unsanft nach unten. Ich landete rücklings auf dem Bett, und der Aufprall drückte mir die Luft aus den Lungen. Mit einer seiner großen Hände nahm er mir das Messer aus der Hand, als wäre es ein Kinderspielzeug, und ich erkannte, dass ich meine Handschuhe nicht trug, aber entweder bemerkte er es nicht, oder es war ihm gleichgültig. Mit einem wütenden Aufkreischen entwand ich mich seinem Griff und versuchte, mich aus meiner hilflosen Position auf dem Rücken zu befreien. Der Große lachte und zog mich mit sicheren Händen zurück, Zentimeter für Zentimeter auf ihn zu.
»Hör auf!« Das war McHale, mit einer Hand an seiner Armbrust.
»Du vergisst dich, Bluddy«, bellte der Große. »Du bist später dran, und darüber solltest du dich freuen.«
»Siehst du denn nicht, dass sie keine Hure ist? Die hat Angst, Mann.«
Eine fleischige Pranke immer noch um meinen Knöchel, drehte sich der Große zu McHale um. »Ich bin nicht hier drin, weil sie eine Hure ist. Ich bin hier, weil sie eine Frau ist. Wollt ihr jetzt mitmachen, oder willst du mit Gandy unter Deck gehen, damit ihr euch gegenseitig einen runterholen könnt?«
»Ich bin keine Schwuchtel!«, schrie Gandy, schnallte seinen Gürtel auf und wollte sich näher an mich drängeln. »Lass mich bei ihr rein und ich beweis’ es! Ich bin sowieso kleiner als du. Ich mach sie schon mal für dich warm.«
Der Große versetzte Gandy beiläufig einen Faustschlag, sodass der gegen die Wand krachte und dann neben Casper zu Boden fiel.
»Die« – er fletschte seine glänzenden Goldzähne – »gehört mir.«
Mit der Schnelligkeit eines Raubtieres stürzte sich McHale auf den Großen und warf ihn quer über meine Beine auf das Bett. Ich roch das Blut, noch bevor ich es sah, und die Bestie in mir übernahm die Kontrolle. Schon hatte ich meine Beine unter dem großen Körper des Piraten hervorgezogen und drückte meinen Mund an sein Handgelenk, bevor ich registrierte, dass McHale über dem rot bespritzten Nacken des Großen kauerte.
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