Von der Liebe verschlungen
Der Körper unter uns wand sich, als der große Kerl schrie und um sein Leben kämpfte. Doch gemeinsam hielten wir ihn mühelos an Ort und Stelle.
»Du«, knurrte ich.
»Esst zuerst«, sagte er mit nur einem Anflug von frostländischem Akzent. »Danach reden wir.«
Einen Augenblick lang starrte ich ihn an und konnte mein Glück kaum fassen. Mein Retter war ein Bludmann, und noch dazu einer, der mehr als willens war, zu teilen, und das war ein Gewinn, der mehr wert war als Rubine.
»Du bist großzügig.«
»Es ist mir eine Ehre, die Beute zu teilen.« Er nahm einen tiefen Zug und neigte den Kopf vor mir. Aus einem seiner Mundwinkel tropfte Blut. »Meine Prinzessin.«
20.
E s fühlte sich eigentümlich intim an, zum ersten Mal im Leben jemandes Beute zu teilen. Das Zimmer war wie ein warmer Kokon voll tröstlicher Laute. Das vornehme Schlürfen von Blut übertönte leise das gleichmäßige Atmen der noch lebenden Männer, und ich seufzte zufrieden auf, als ich mich, zum ersten Mal seit Tagen, gesättigt fühlte. Der große Pirat war eine herrlich üppige Blutquelle.
Ich überließ den letzten Zug meinem Gastgeber, da es mir höflichkeitshalber geboten schien. Doch auch er richtete sich auf.
»Bitte, Hoheit. Er gehört Euch.«
Ich zögerte nachdenklich. Doch die Prinzessin in mir gewann die Oberhand, und ich ließ den letzten Schluck heißen Blutes durch meine Kehle laufen und wischte mir dann den Mund am Ärmel des toten Piraten ab.
McHale nickte und ging daran, den Leichnam des großen Piraten säuberlich zu plündern. Als er mir eine Hand voll Münzen, Schmuckstücke, Edelsteine und Perlen reichen wollte, schüttelte ich den Kopf. Nicht, weil ich Geld nicht nötig gehabt hätte, sondern weil ich nun, da er tot und blutleer war, alles an ihm widerwärtig fand.
Als wir so von Angesicht zu Angesicht über dem entleerten Körper knieten, ergriff uns beide urplötzlich eine peinliche Scheu. McHale schob seine Schutzbrille auf die Stirn, um mich mit eisblauen Augen voll besorgter Neugier zu betrachten. Ich wusste nicht recht, wie ich mich verhalten sollte. Er wusste, wer ich war, und zeigte gebührenden Respekt. Sollte ich ihn so ansprechen, wie ich einen Bludmann in meinem Land ansprechen würde, mit absoluter Majestät und Überheblichkeit? Oder sollte ich die Tatsache respektieren, dass er mich soeben vor einem größeren Raubwesen gerettet und sein Mahl mit mir geteilt hatte, sodass wir uns nun eher auf Augenhöhe befanden?
Doch wieder begegnete er mir mit perfekter Höflichkeit. »Meine Prinzessin, Ihr seid geschwächt. Hat man Euch sehr lange auf diesem schmutzigen Pott festgehalten?« Nun, da wir allein waren, kam sein frostländischer Akzent deutlicher zum Vorschein, und sein Blick war besorgt. Doch das bedeutete noch nicht, dass er vertrauenswürdig war. Er konnte ebenso leicht ein Spion sein, oder jemand unter Ravennas Macht.
»Ich bin nicht gegen meinen Willen hier.«
»Aber Ihr gehört nicht … zum … Angebot der Maybuck? «
»Nein.«
Er stieß erleichtert die Luft aus und fuhr sich mit der Hand über die spärlichen dunklen Bartstoppeln. »Dann muss ich also nicht jeden hier töten. Das ist eine Erleichterung.« Ich musste kichern, und er fuhr fort: »Außer diesen beiden, denke ich.« Damit stand er auf und ballte die Hände zu Fäusten, während sein Blick auf Casper fiel.
»Nein!«
Er sah mich an. »Meine Prinzessin?«
»Tötet den Piraten, wenn Ihr wollt, aber den anderen lasst in Ruhe.«
Er stieß Casper mit einem Fuß an und betrachtete dabei vermutlich dessen feinen Mantel mit Uhrkette und die sorgfältig polierten Stiefel.
»Seid Ihr sicher? Er wäre meine sauberste Mahlzeit seit Wochen. Und Ihr braucht Blut, meine Herrin. So viel wie möglich.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Ihr seid so dünn und blass.«
»Dieser Mann ist mein Diener, und ich will nicht, dass er verletzt wird.« Damit schlüpfte ich wieder in meine königliche Rolle und straffte den Rücken angesichts seiner angedeuteten Beleidigung. »Der andere sei Euch gestattet.«
Nach einer kurzen Verbeugung kniete er mit einer feierlichen Präzision über Gandy nieder, die bei seiner Attacke auf den größeren Piraten gefehlt hatte. Als er den Kragen des Mannes öffnete, rümpfte er die Nase und meinte: »Um den hier tut es mir wirklich nicht leid.«
Sachte trennte er die Halsschlagader auf, als wolle er mir seine gute Erziehung unter Beweis stellen. Mit fragendem Blick hielt er Gandys Arm hoch, und ich nahm
Weitere Kostenlose Bücher