Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von der Liebe verschlungen

Von der Liebe verschlungen

Titel: Von der Liebe verschlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delilah S. Dawson
Vom Netzwerk:
mir nie etwas bedeutet haben. Wir hatten beide unsere Laster.«
    »Ich …«
    »Du?«
    Ich schluckte schwer und senkte den Blick. »Ich denke, du hast recht.«
    Mit einem animalischen Knurren, dessen Wildheit sogar mich überraschte, warf er sich aufs Bett und schlang die Arme um ein Kissen, als würde er gerade in einem Fluss ertrinken und das Kissen sei ein Rettungsring.
    »Ich war mir noch nie selbst so fremd«, sagte er verwundert und rutschte nach hinten gegen das mit Tuch bespannte Kopfende und drückte das Kissen an seine Brust. Er sah so verloren, so hoffungslos und wild aus, dass ich mich neben ihm niederließ, nahe genug, um seine Körperwärme zu spüren.
    »Musst du Wein dazu haben?«, fragte ich ihn sanft.
    »Der Wein geht nicht ohne das Blud, aber das Blud geht auch nicht ohne den Wein. Zumindest war es bisher so.«
    Als er wieder den Blick hob und mich ansah, waren seine Gesichtszüge starr, als koste es ihn große Anstrengung, seine Maske nicht aufreißen zu lassen. Er holte tief Luft und atmete langsam wieder aus, ein langer, schmerzvoller Laut, teils Stöhnen, teils Knurren. Dieser Laut – er klang, als sei er nur für mich allein bestimmt, und ich beugte mich vor, begierig und eindringlich.
    »Ich kann nicht glauben, dass ich das tue«, sagte ich zu mir selbst.
    »Dass du wa-?«
    Ich ließ ihn nicht zu Ende reden. Die Ausführung meines Gedankens war so zügig und seltsam wie der Impuls selbst. Ich nahm seinen Kopf in beide Hände und zog ihn an mich, während ich mich mit scharfen Reißzähnen selbst in die Zunge biss. Das heiße Blud füllte meinen Mund, und ich küsste ihn.
    Sein Körper zuckte wie im Schock zusammen, aber sein Mund wusste genau, was zu tun war. Seine Zunge strich über meine, und er saugte heftig an der Wunde, als wolle er mich auf einen Schlag völlig verschlingen. Ich wollte mich ihm entziehen, aber da legte er seine Hände an mein Gesicht, fest und zärtlich zugleich. Seine Daumen strichen kurz über mein Kinn, und dann legte er einen Arm um meine Taille und zog mich auf seinen Schoß.
    Der Biss in meiner Zunge heilte schon wieder, aber ich konnte mich nicht von ihm lösen. Er war stark, und ich war überrascht, als aus dem spielerischen Ringen Ernst wurde. Energisch löste ich mich von ihm und wandte mein Gesicht ab, und mein Keuchen klang laut in der plötzlichen Stille. Wir waren beide atemlos, und seine Pupillen waren klein wie Stecknadelköpfe in einem viel helleren Blauton als vorher. Abwesend wischte er mit einem Finger ein Tröpfchen Blud von seiner Wange und leckte ihn ab. Ich war verblüfft, fasziniert und gefangen von seinem Anblick. Er war wieder er selbst.
    Vielleicht hätte ich ihn da fürchten sollen. Aber ich hatte die Bestie in ihm gesehen, und etwas in mir hatte Gefallen an ihr gefunden. Und ich konnte mich nicht dazu bringen, auch nur einen Zentimeter von ihm wegzurutschen.
    »Warum hast du das getan«, fragte er mit diesem vertrauten Auflachen. »Nicht, dass es mich stören würde.«
    Ich konnte keine Worte finden, nicht einmal blinzeln. Ich hatte genug davon, mich menschlich zu geben. Zerbrechlich und weich zu sein und Lügen in schöne Worte zu verpacken. Ich würde ihm die Wahrheit sagen, und seine Antwort würde mir sagen, ob die Würfel gefallen waren oder nicht. Sah er mich als das, was ich war, oder als das, was ich einmal gewesen war?
    »Ich habe es getan, weil ich es wollte.«
    »Ich hätte dich nicht als barmherzig eingeschätzt.«
    »Es war nicht barmherzig. Es war egoistisch. Ich wollte dich küssen, also habe ich es getan. Ich wollte, dass du mir einen Schritt näher bist. Denn ich verstehe die Bestie in dir besser als den Menschen.«
    Ich sah ihm unverwandt in die Augen, als ich das sagte, und in meinen Worten lag eine Wildheit, als wollte ich ihn herausfordern. Eine einfache Drehung seines Kopfes, und er wirkte konzentrierter, mehr wie ein Bludmann.
    »Du bist anders, seit wir hier gelandet sind«, sagte er vorsichtig. »Mehr du selbst.«
    »Natürlich. Ich muss mich nicht mehr verstellen. Sich zu verstellen, liegt meinesgleichen nicht. Ich weiß, dass du fühlen kannst, wie es die Kontrolle über dich übernimmt. Also warum bestehst du darauf, dich weiter zu verstellen?«
    »Weil ich mein ganzes Leben lang ein Mensch war. Es ist beängstigend, zu etwas anderem zu werden.«
    »Vielleicht wirst du gar nichts Neues. Vielleicht wirst du etwas, das du schon immer warst.« Ich grinste und wusste, dass meine Zähne in dem warmen Licht schimmern

Weitere Kostenlose Bücher