Von der Liebe verschlungen
nach.
»Herein. Legen Sie es auf den Tisch.«
»Was denn?«
Schnell setzte ich mich auf und ordnete meine Röcke, als Casper hereinkam und mit den Fingern nervös an seiner Hüfte trommelte. Seine Augen waren sogar noch heller und verzweifelter als vorher und in ihnen glitzerte der Wahnsinn. Auf dem Luftschiff, als ich von seinem Wein erst genippt und dann sogar in großen Schlucken getrunken hatte, hatte ich nicht ernsthaft darüber nachgedacht, wie dringend sein Problem war. Doch die Art, wie er mich jetzt ansah – zum ersten Mal beschlich mich ein Gefühl des Unbehagens.
»Blut. Ich habe etwas Blut geordert. Habt ihr etwas zu essen bestellt? Das geht auch, weißt du.«
Aber er sah mich nicht an. Er sah sich im Zimmer um, mit einer unruhigen Neugier, als könne er jemanden gerade so reden hören und versuche nun, herauszufinden, woher die Stimme kam.
»Kein Hunger.« Als er sich dann auf mich konzentrierte, war es, als starre man in ein schwarzes Loch. Oder ein Verlies. Seine Augen glänzten im Wahn, in einer Farbe von Zwielicht und tiefem Wasser, hungrig, als wolle er jemandem die Seele aussaugen, doch unter all dem Hunger war noch immer Intelligenz. »Mal ehrlich. Hast du mich je essen sehen? Im Augenblick brauche ich nur eins. Und ich kann es nicht bekommen.«
»Wie hat es angefangen?«, fragte ich, um ihn abzulenken.
Er lachte wehmütig und ging in dem kleinen Zimmer hin und her. »Wie fing es an – es war ganz unschuldig. Ich wusste es nicht besser. Ich war ein Fremdling. Und ich hielt mich für verdammt brillant. Criminy hatte mal erwähnt, wenn ein Mensch Blud von einem Bludmenschen zu sich nimmt, und sei es nur ein Tropfen, dann würde dieser Bludmensch sich nicht von ihm nähren wollen. Es war wegen der Handschuhe, weißt du.« Er hielt seine bloßen Hände hoch, die einen ganz leichten Anflug von Grau an sich hatten, wie Staub. »Ich konnte es nicht ertragen, mit Handschuhen Cembalo zu spielen. Es war so unpersönlich, so kalt. Also bat ich ihn um einen Tropfen Blud von ihm. Den gab er mir natürlich. Er hielt es für ziemlich witzig, weil er alles für witzig hält. Dann lief ich durch den Wanderzirkus und überredete jeden Bludmenschen, mir einen Tropfen von sich zu geben. Es machte ihnen das Leben so viel leichter, wenn sie mich nicht länger als Nahrungsquelle ansahen. Und so stolzierte ich herum, ohne Handschuhe, mit offenem Hemd und barfuß; ich, der schlaue Bursche, der die Bludleute ausgetrickst hatte.« Er ließ seine Finger knacken, wie ich es schon vorher bei ihm gesehen hatte. »Er nannte mich einen schlauen Burschen. Und ich dachte, das sei ein Kompliment.«
»Und er hat dir nie gesagt, dass es …«
»Mich süchtig machen würde? Mich verschlingen würde? Mich immer mehr beherrschen würde, bis am Ende Lebensmittel wie Schmutz schmecken und ich alles in Rot getaucht sehe?« Er ballte die Fäuste und starrte mir direkt in die Augen, als wolle er mich anflehen. »Er hat es mir nie gesagt, dieser Bastard. Als wüsste er, dass eines Tages Tish auftauchen, sich für ihn entscheiden und mich am Rande dieses verdammten Abgrunds hängen lassen würde. Als wäre er derjenige, der in die Zukunft schauen kann.«
»Hast du jemals jemanden danach gefragt?«
»Nein! Nein, ich habe nie daran gedacht, jemanden zu fragen: ›Oh, sag mal, wenn ich dein Blud trinke, werde ich dann den Verstand verlieren und davon träumen, einem hübschen Mädchen die Kehle herauszureißen? Werde ich rote Flecken auf Wänden tanzen sehen, durch das ganze Zimmer kalte Herzen schlagen hören und Lieder komponieren über die Ader, die ich an deinem Schlüsselbein pulsieren sehe?« Blitzschnell streckte er einen Finger aus und strich damit über den entblößten Rand meines Halses, und ich schauderte und wich vor ihm zurück. »Nein, Schätzchen, den Teil hat nie jemand erwähnt. Leider.«
»Wann hast du es herausgefunden?«
»Als es schon zu spät war. Als ich mich schon zu sehr verloren hatte, süchtig, verkommen und betrunken in London. In einigen der Cabarets ist es der letzte Schrei. Absinth ist die Grüne Fee, Bludwein ist die Rote Sirene. Du glaubst gar nicht, was Mädchen alles tun, für nur einen Schluck von dem Zeug.«
»Wohl nicht«, antwortete ich frostig.
»Schau, Ahna. Wenn ich dir verzeihen kann, dass du die Diamanten versteckt hast und dass du diesen toten Burschen aus dem Bus geworfen hast, dann kannst du mir auch vergeben, dass ich versucht habe, mich in einer Reihe Mädchen zu verlieren, die
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