Von der Nacht verzaubert
Jungs tauchten auf und steuerten auf uns zu. Lawrence beugte sich zu mir und sagte: »Bandalarm. Diese werten Herren gehören zur angesagtesten Newcomer-Band der Stadt.«
»Dann sind sie sicher mit Georgia befreundet«, stöhnte ich.
Er grinste und nickte, als die Typen näher kamen. Einer ging sofort zu Georgia und zog sie wortlos mit auf die Tanzfläche. Sie rief ihm etwas zu und lächelte in meine Richtung, während einer seiner Kumpels zu mir kam und meine Hand nahm. »Alex«, sagte er laut und strich sich das lange Haar aus dem Gesicht.
Wir tanzten ein paar Lieder lang neben Georgia und ihrem Freund. Alex‘ strahlend blaue Augen und sein verführerisches Lächeln brachten mein verstummtes Herz wieder zum Schlagen. So, wie er mich ansah, schien es ihm nichts auszumachen, dass Georgia ihn zu meinem »Partyfreund« erkoren hatte. Er war attraktiv. Er war ein Mensch. Also warum konnte ich mich nicht einfach entspannen und ein bisschen Spaß haben?
Ich signalisierte Alex, dass ich mir was zu trinken holen würde. Er sah mich bedauernd an und warf mir einen sexy Luftkuss hinterher. Insgeheim trat ich mir für meine Dummheit selbst in den Hintern, wusste aber, dass ich einfach nicht anders konnte. Nicht heute. Nicht für eine ganze Weile. So lange nicht, bis Vincents Gesicht mein gepeinigtes Hirn in Ruhe lassen würde.
Lawrence war verschwunden, als ich wieder an der Bar angelangte. Der Barmann sah mich und schenkte mir sofort eine weitere Cola ein. Ich nahm sie dankend entgegen und setzte mich auf ein großes Lederkissen an der Wand.
An den kalten Stein gelehnt, beobachtete ich für einen Moment die wellenartigen Bewegungen der Menschenmasse, dann schloss ich meine Augen. Die Musik versetzte mich in eine Art Trancezustand. Ein paar Sekunden später hörte ich eine leise, sanfte Stimme fragen: »Müde?«
Ich öffnete die Augen und erkannte Lucien, der sich mit einem Kissen zu mir gesetzt hatte. Ich lächelte ihn an. Jetzt, da er keine Leute abwimmeln musste, wirkte er nicht mehr ganz so schroff, trotzdem umgab ihn eine eiskalte Aura. Wahrscheinlich blieb es nicht ohne Folgen, wenn man eine der trendigsten Bars der Stadt führte, sagte ich mir selbst.
»Müde eigentlich nicht, nur nicht in Tanzlaune.«
»Und, hat Georgias Schwester einen Freund?«
Na, der ist ja mal direkt. »Äh, nein«, antwortete ich. »Im Moment nicht.«
»Schön«, sagte er und rieb sich absichtlich übertrieben die Hände. »Das werden meine Freunde gerne hören!«
»Äh. Ich ... ich bin allerdings gerade auch nicht auf der Suche.«
»Aber du hast doch nichts dagegen, jemanden kennenzulernen, oder?« Er hob eine seiner buschigen blonden Brauen.
»Ehrlich gesagt ...«
Ohne meine Antwort abzuwarten — oder weil er sie gar nicht hören wollte —, stand er auf, ging mit meinem leeren Glas zur Theke und kam mit einem vollen zurück. »Du musst Georgia zu der Party begleiten, die ich in ein paar Wochen gebe. Jeder, der was auf sich hält, wird kommen.« Er hockte sich vor mich und gab mir das Glas. »Und du auch!«
Er klopfte mir spielerisch auf die Schulter, worauf ich unerwartet heftig reagierte: Ich fuhr reflexartig zusammen. Seine leichte Anspannung verriet, dass er es bemerkt hatte. Was ist denn bloß los mit dir?, tadelte ich mich selbst und wunderte mich über diese Reaktion. Er wollte doch nur nett sein. Offenbar war ich total aus der Übung, was menschliche Interaktion anging. Aber bevor ich mich dafür entschuldigen konnte, dass ich ihm ungewollt meine kalte Schulter gezeigt hatte, sprach er schon mit jemand anderem, der ungeduldig darauf gewartet hatte, endlich Luciens Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich trank meine Cola und warf einen Blick auf mein Handy: Es war noch nicht mal Mitternacht.
Ich stand auf und kämpfte mich durch die tanzende Menge, bis ich endlich vor Georgia stand. Sie sah mich besorgt an, ich schüttelte meinen Kopf. »Tut mir leid, Georgia. Es geht einfach nicht. Ich fahr nach Hause«, rief ich ihr zu, damit sie mich trotz der lauten Musik verstand, und gestikulierte Richtung Ausgang, falls sie doch kein Wort gehört hatte.
Sie nickte. »Ist es in Ordnung für dich, allein zu fahren?«
»Ich nehme ein Taxi.«
Georgia umarmte mich und sagte dann etwas zu dem Typen, mit dem sie getanzt hatte. Lächelnd nahm er meine Hand und führte mich quer über die Tanzfläche zum Ausgang. Während ich meinen Mantel holte, rief er mir ein Taxi. Dann brachte er mich noch nach draußen und wartete mit mir, bis es an der
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