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Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Titel: Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Heinzen
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Dorata getroffen?!« fragte ich fassungslos.
    »Wenn du das kannst!« verblüffte mich Martina.
    Ist es nicht eine bittere Erfahrung, dass Frauen am begehrenswertesten sind, wenn man sie gerade verliert?
    »Wann?«
    »Letzte Woche Freitag.«
    »Letzte Woche Freitag?« Ich ratterte meine Termine durch. Letzte Woche Freitag – war das nicht der Nachmittag, an dem Dorata so schweigsam war, als wir uns auf der Institutstoilette trafen, unserem trostlosen Liebesnest.
    An diesem Freitag war alles anders, seitdem ich vor ein paar Wochen meine nassen Hände in den Luftstrom des Trockners hielt, während Dorata die Toilette betrat und begann, mein Hemd aufzuknöpfen.
    Martina lächelte mich aus ihren Augen an, die die Farbe von Eiswürfeln angenommen hatten, und ich wusste, dass jetzt der tödliche Pass gespielt würde, dem das unhaltbare Tor folgen würde, das meinen Abstieg besiegelte.
    »Wusstest du, dass ihr Vater in Rumänien von der Securitate zu Tode gefoltert wurde?«
    Nein, ich wusste nichts dergleichen. Die wenigen Sätze, die wir in der Institutstoilette wechselten, kreisten vor allem darum, wie wir es anstellten, ohne uns in dem engen Raum zu verletzen.

    »Sie haben die Leiche vor dem Haus der Familie von einem Laster geworfen. Dorata hat ihn gefunden, da war sie gerade mal vier.«
    »Rumänien? Ich dachte, Dorata käme aus Ungarn.« Ich hatte Mühe, diese ganzen neuen Informationen zu verarbeiten, aber Martina war noch nicht fertig. »Dann gab es da einen Onkel Micha, der zog bei der Familie als Ersatzvater ein.«
    Ich wusste, was jetzt kommen würde, und ich wollte es nicht hören. Aber Martina entfachte weiter die Glut in dem Grill, auf den sie mich gelegt hatte.
    »Dieser Onkel Micha, er wird übrigens in diesem Jahr 50, wenn’s dich interessiert …«
    »Nein, es interessiert mich nicht!«
    »Dieser Onkel hat Dorata sexuell missbraucht, ohne dass die Mutter eingeschritten ist. Sie war vom Geld des Onkels abhängig, nachdem sie keine Witwenrente bekam wegen des angeblichen Selbstmords des Vaters. So die offizielle Todesursache. «
    Für einen Moment war es so still, dass man die Fische im Aquarium des Chinarestaurants, wo wir uns zu den Abrüstungsverhandlungen getroffen hatten, atmen hören konnte.
    »Tut mir leid!« stammelte ich. Was sollte ich sonst sagen? »Ich wusste das alles nicht.«
    »Klar, weil du nur Augen für ihre Titten hast.«
    Titten? Ich hatte mir einmal für diese sexuell herabwürdigende Formulierung von Martina eine Ohrfeige in einem vollbesetzten Restaurant eingefangen. War übrigens auch ein Chinese.
    »Hast du nicht gespürt«, trieb mich Martina weiter in die Enge, »dass das gar nichts mit dir zu tun hat?«
    Ich hatte bei den Treffen mit Dorata eine Menge gespürt, und es hatte alles mit mir zu tun. Aber ich wollte nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.
    »Das ist der Wiederholungszwang. Dorata ist traumatisiert. Sie fühlt sich entwertet, deshalb sucht sie bei älteren Männern …«

    »Noch bin ich keine 50!« wandte ich lachend ein und versuchte, mit diesem kleinen Scherz auf meine Kosten ein bisschen Dampf aus der Diskussion zu nehmen.
    Aber Martina tat mir nicht den Gefallen zu lachen. »Deshalb sucht Dorata bei älteren Männern Bestätigung. Du«, jetzt schaute mich Martina an wie ein Torero den Stier, bevor er ihm den tödlichen Stoß verpasst, »bist Onkel Micha.«
    Es war still geworden in dem Chinarestaurant, weil Martina immer lauter geworden war. Jetzt realisierte ich, dass mich die Gäste anstarrten und sich fragten: Wer verdammt noch mal ist Onkel Micha?
    Okay, ich hatte meine Frau mit einer Praktikantin betrogen, die meine Tochter hätte sein können. Aber diese Vorwürfe gingen zu weit. Außerdem hatte ich nicht die Initiative ergriffen, Dorata hatte ganz eindeutig die Sache in die Hand genommen. Da sagt man doch nicht: Sorry, könnte es sein, dass du nur deshalb Sex mit mir haben willst, weil dich dein Onkel missbraucht hat?
    Und stimmte diese Geschichte überhaupt?
    In Martinas psychotherapeutischer Praxis geben sich jeden Tag Dutzende Klienten die Klinke in die Hand und erzählen ihr die verrücktesten Schicksale, sie sitzt an der Quelle. Aber wenn diese traurige Geschichte wirklich stimmte und ich bei Dorata deshalb leichtes Spiel hatte, weil sie eine kaputte Psyche hat, was war dann mit mir?
    »Und ich?« brach es aus mir heraus. »Habe ich keine Psyche? Diese Sache mit Dorata, das war gar keine Affäre. Das ist ein Symptom.«
    Einen Moment war Martina

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