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Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Titel: Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Heinzen
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als ich. Die Partnerschaft mit Kabul, das war Kurts Idee. Die neue Bibliothek: Das Geld dafür hat Kurt aufgetrieben. Der Schüleraustausch mit China. Kurt hat das angeschoben, als wir hier eine Delegation der Handelskammer von Peking zu Besuch hatten. 40 Mann, die haben vielleicht reingehauen!«
    »Du hast für die alle gekocht?« wunderte sich Ingrid.
    »Warum denn nicht? Kurt sprach gerne Einladungen aus. Seine Unternehmensberatung arbeitet vor allem mit Asiaten. Diese Leute verbringen viel Zeit in Hotels. Natürlich konnte Kurt seine Kunden auch ins Hofbräuhaus ausführen …«
    »Aber nichts lieben die Schlitzaugen so sehr wie Kalbstafelspitz nach Hausfrauen Art«, ergänzte Andreas den Satz.
    »Ich briet Berge von Kalbstafelspitz, lachte über die drei Witze, die Kurt immer bei den Essen erzählte, und zog mich zurück, wenn er mir das Zeichen gab.«
    Susanne lud Andreas das Stück Kalbstafelspitz, das übriggeblieben war, weil Beate nicht gekommen war, auf den Teller.
    »Kurt ist Kurt. Man kann ihm schlecht vorwerfen, dass er so brillant und erfolgreich ist. Kurt ist einfach den meisten Menschen einen Schritt voraus. Mir sowieso. Ihr denkt jetzt bestimmt, dass Kurt nie zuhört, weil er selbst so gern redet. Oder nur darauf wartet, bis er endlich dran kommt. Dem ist aber nicht so, glaubt mir. Kurt kann zuhören, sogar sehr gut zuhören. Er nahm sich Zeit für mich, auch wenn er keine Zeit hatte. Er war interessiert an meiner Meinung, ob
es um den nächsten Urlaub ging oder die richtige Schule für Sven, unseren Jüngsten. Aber Kurt hatte immer die besseren Argumente. Ich weiß, es wird dir nicht gefallen«, Susanne schenkte Ingrid Wein nach aus einer Flasche, auf deren Etikett in fetten Lettern Kurt stand. »Aber warum sollte ich zu einer überzeugenden Idee ›Nein‹ sagen, nur weil sie von meinem Mann kam? Dabei ließ mir Kurt alle Freiheiten, aber ich vermisste nichts, weil ich alles hatte. Okay, ich hätte gern studiert. Kunstgeschichte. Aber als ich mit Ulf schwanger wurde, war klar, dass ich zuhause bleiben würde. Ich meine, da hatte Kurt schon 80 Mitarbeiter. Und anders als für dich, Ingrid, kam eine Abtreibung für mich nicht in Frage. Ich wollte immer Kinder. Ich finde es toll, dass ich als Frau Leben schenken kann. Warum ich auf diese Erfahrung verzichten sollte, um morgens ins Büro zu gehen, hat sich mir nie erschlossen. Auf Ulf folgten dann in kurzen Abständen Lars, Ralf und Sven.«
    »Klar, dass ein richtiger Mann wie Kurt nur Jungen zeugt«, konnte sich Ingrid einen Kommentar nicht verkneifen.
    Aber Susanne ließ sich nicht provozieren. »Unsere Reihenhaushälfte in Unterföhring wurde zu klein, und Kurt baute dieses Haus für uns. Nach seinen Plänen. Natürlich hatten wir einen Architekten, der alles berechnete, die Statik und so, aber der Entwurf ist von Kurt. Wir saßen ein ganzes Wochenende auf dem Boden im Wohnzimmer und bauten mit Legosteinen dieses Haus. Ich wollte ein richtiges Haus mit einem steilen, roten Dach. Kurt wollte einen Bungalow und …«
    »Hat sich natürlich durchgesetzt!« Ingrid war kurz vorm Explodieren.
    »Zum Glück.« Susanne begann das Geschirr abzuräumen, um Platz zu schaffen fürs Dessert. Wir konnten wählen zwischen Rohmilchkäse aus Savoyen und Ananas in Ingwergelee. Andreas erklärte, er könne sich nicht entscheiden, worauf Susanne meinte, dann solle er doch einfach beides nehmen, ein Vorschlag, dem auch wir anderen uns dankbar anschlossen.

    »Das Flachdach war billiger, und du musst es nicht alle paar Jahre neu decken lassen. Jetzt, wo ich mich um die Instandhaltung des Hauses kümmern muss, bin ich froh, dass Kurt sich damals durchgesetzt hat. Kurt hatte auch die Idee mit den Sonnenkollektoren, als sonst noch niemand an so was dachte.«
    Susanne zeigte mit dem Käsemesser auf die Markise, die sich gerade automatisch einrollte, weil die Sonne unterging. »Hat Kurt eingebaut. Dass ich heute nichts mehr an die Stadtwerke bezahle, sondern im Gegenteil denen meinen Strom verkaufe, ist Kurts Verdienst. Kurt hat auch …«
    »Kurt, Kurt, Kurt!« brach es aus Ingrid heraus, die immer heftiger mit dem linken Fuß wippte, sodass mittlerweile der ganze Tisch zitterte. »Hast du auch ein eigenes Leben?!«
    »Natürlich habe ich ein eigenes Leben. Ich singe im Kirchenchor, gehe ins Fitnessstudio und mache einen Töpferkurs an der Volkshochschule.« Susanne hielt die inzwischen leere Schale mit der Ananas in Ingwergelee hoch, die sie selbst getöpfert hatte. »Die

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