Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
benutzen. Die größeren wurden über einer Glut geröstet. »Selbst geerntetes« Essen war ganz nach seinem Geschmack. Dafür schien ihm kein Aufwand zu mühsam.
Kym: »Was gibt es zu essen?«
Astrid: »Ich habe an Reis, Zwiebeln und ’ne Dose gedacht.«
»Ich will einen Fisch. Fang doch einen Fisch für mich. In den Korallen schwimmen ganz viele.«
Um den Dialog zu beenden, warf ich ein: »Ich hätte lieber Spaghetti mit Corned Beef.«
Doch Spaghetti mochte er nicht besonders, und so leicht ließ er sich auch nicht ausbooten. Er beharrte auf Fisch, bis sich einer von uns erbarmte und einen fing. Früh lernte er Fische auszunehmen und zu filetieren. Selbstgefangene Fische waren sein Leben. Fische, die ich speerte oder die seine Mutter angelte. Dieser Blick, diese Freude in seinen Augen – wunderbar. Leider konnten wir seinen Wunsch nicht immer erfüllen, denn Fische in Lagunen können giftig sein. Ihm das verständlich zu machen, war manchmal ein Problem. Was die Sache kompliziert macht, ist, dass der gleiche Fisch in einem Teil des Inselarchipels genießbar ist, im anderen aber tödlich sein kann. Die Lösung für uns war, die Einheimischen zu fragen. Oder den Fang im Zweifelsfall wieder schwimmen lassen.
Wenig erfreulich allerdings war es für Kym, dass er vor fast jeder Weiterfahrt aus einem gerade gefundenen Spielidyll gerissen wurde. So gab es Tränen beim Abschied von dem schwarzhaarigen Harry auf Fidschi, von Padarnico auf Gilbert, von dem lustigen Tadia auf Bikini. Astrid wiegelte ab: »Das macht Kindern in seinem Alter nichts aus. Das müssen andere Kinder auch lernen. Viel schlimmer ist es, dass der Junge überall dermaßen verwöhnt wird. Hier ein Kraulen im Blondhaar, dort ein Stück gekochte Kasava, dann wieder eine Sonderfahrt im Kanu .«
Glücklicherweise haben kleine Kinder ein sehr kurzes Gedächtnis, denn sie leben in der Gegenwart. Nach ein paar Tagen auf See waren die Freundschaften für Kym vergessen. Toll.
Vor der Abreise hatten uns Freunde vorgehalten: »Ihr treibt euer Kind in die soziale Isolation, wenn ihr immer auf dem Meer seid.« Immer? Das war ja nicht der Fall. Von Anfang an hatten wir geplant, lieber eine größere Strecke zu segeln, um zu den Inseln zu kommen, auf denen wir dann längere Zeit bleiben konnten. Dort würde Kym dann Gelegenheit haben, Freundschaften zu knüpfen. Wegen vorherrschender Winde mussten wir allerdings auch einen losen Zeitplan einhalten. Darum machte es Sinn, an Land so schnell wie möglich Kontakt zu den einheimischen Kindern zu suchen. Aber das war kein Problem.
Ganz zu Anfang stand er etwas ratlos vor den Kindern – womöglich waren es ihm, aus der »Soloatmosphäre« an Bord gerissen, spontan zu viele. Doch einige Inseln später war er so selbständig, dass er sich einen Jungen aussuchte, den an die Hand nahm und ihn sich als Freund zum Spielen wünschte. Auch war er im Laufe der Reise sehr großzügig mit seinem Spielzeug, er verschenkte Matchboxautos, Legosteine, Buntstifte, Papier …
Verblüffend war, wie leicht er neue Sprachen lernte. Ohne ein Wort Pidgin landeten wir in Papua-Neuguinea. Wenige Tage später konnte Kym sich schon mit anderen Kindern verständigen. Für ihn schien es keine Sprachbarriere zu geben. Ohne Probleme kamen im kleinsten Dorf Kontakte mit fremden Kindern zustande – beim Zuckerrohrlutschen oder Ballspielen. Auch wir beide erlebten vieles intensiver, denn wir lernten alles nicht nur aus dem eigenen Blickwinkel, sondern mit Kinderaugen zu betrachten. Als unser Reisegefährte ließ er sich voller Vertrauen auf alles Neue ein. Immer.
Nach einigen Eingewöhnungsmonaten lebten wir unseren Traum. Wir hatten schon Wale und Delfine gesehen, hatten frisch gefangenen Fisch am Strand geröstet und einen Hai gefangen. Unvergesslich: Melanesische Kinder hatten Kym auf ihre schmalen Schultern genommen, um ihn übers scharfe Riff zu tragen. Seine Welt waren nunmehr Frauen in Baströcken, Kanupaddler, Muscheln auf dem Grund und Gischt im Gesicht.
Hier war Blondschopf Kym der Star. Er liebte es, wenn ihm ältere Mädchen und Frauen übers Haar strichen, seine helle Haut berührten und mehr noch ihm Essbares in die Hand drückten.
Der Blondschopf lernte alles zu essen: Kasava (Wurzeln), Fische, Fledermäuse, Chili, Süßkartoffeln. Er lernte auch Insekten (Moskitos beispielsweise), Kakerlaken, Vögel und Fische kennen. Fische vor allem. Haken, Schnur und etwas Essbares eingepackt, und er war für den Rest des Tages
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