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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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anders um. Daher ist es wichtig, sein Kind schon vor der Reise mit wichtigen Informationen und Hinweisen auszustatten. Kinder müssen (ebenso wie wir Erwachsene) wissen, wie man sich im archaischen Naturgroßraum Wüste zu verhalten hat. Sie müssen die vielfältigen Gefahren (Schlangen, Skorpione, Sandstürme) kennen, damit sie begreifen, dass die Wüste zwar wunderschön, aber auch eine lebensfeindliche Welt ist, in der Vorsicht und Wachsamkeit oberste Gebote sind.
    Als es schließlich so weit war, dass Dirk und Aaron im Alter von acht und vierzehn Jahren auf ganz unterschiedlichen Touren das Land meiner Sehnsucht kennenlernten, fanden beide sehr schnell heraus, dass sie wilde und unberührte Landschaften ebenso mögen wie Abenteuer und Entdeckungen. Beide hatten keinerlei Probleme, wochenlang ohne viel Komfort zurechtzukommen – ohne fließendes Wasser, ohne Klospülung, Fernsehen, Computerspiele und Internet. Im Gegenteil: Wann immer sie am frühen Morgen – zwischen fünf und sieben – aus dem Schlafsack krochen, waren sie guter Laune, was sie wohl den Beduinen abguckten. Ohne zu quengeln, nahmen sie sich einen Becher mit Wasser, das zum Waschen und Zähneputzen reichen musste. Dann gab es Frühstück: süßen Tee, Fladenbrot, Marmelade, Schmierkäse, dicke Bohnen und Tomaten. Anschließend bauten wir die Zelte ab, verstauten das Gepäck in Packsäcken und beluden die Kamele.
    Im Tempo der Dromedare, vier oder fünf Kilometer pro Stunde, zogen wir dann Tag für Tag durch Landschaften, die wie urzeitliche Schöpfungsbilder wirkten. Dabei versuchte ich mit verschiedenen Sätzen das Selbstbewusstsein meiner Söhne zu stärken: »Das schaffst du schon! Das traue ich dir zu! Das machst du richtig gut!« Und wenn ich merkte, dass Aaron oder Dirk eine Pause brauchten, sah ich mich nach einem Lagerplatz um, suchte Bäume, Akazien, Tamarisken, die Schatten spendeten. Denn die Tagesform eines Kindes ist sehr unterschiedlich, und es macht keinen Sinn, auf Teufel komm raus eine Wegstrecke durchzuziehen, nur weil man sie sich am frühen Morgen vorgenommen hat.
    Darüber hinaus haben Aaron und Dirk in der unermesslichen Weite erfahren, dass die Wüste kein Ort der Eile ist, dass man in extremen Landschaften auch extrem wechselnden Empfindungen ausgesetzt ist, dass man für die Begegnungen mit anders lebenden Menschen immer offen und respektvoll sein sollte und dass die Wüste ein Gefühl von Freiheit vermittelt. So ließen sich meine Jungs oft von ihrer Neugier treiben: Immer wieder wollten sie sehen, was hinter dem nächsten Hügel oder dem nächsten Berg liegt. Jede Wüstenreise war für Aaron und Dirk eine große Freude, denn ständig wurden sie von etwas Neuem überrascht, und der Geographieunterricht aus der Schule wurde zur sinnlichen Erfahrung: Sie rochen an Pflanzen, schmeckten Fladenbrot, Kamelmilch und exotische Gewürze, befühlten den Sand und die spindeldürren Beine der Kamele, sahen traumhafte Sonnenuntergänge und horchten in die Stille hinaus, eine Stille, die sie noch nie zuvor so intensiv wahrgenommen hatten. All ihre Sinne schärften sich neu: Es war, als würden sie ganz anders sehen, riechen, schmecken, hören und fühlen.
    Was haben Aaron und Dirk in den kargen Landschaften der Einöde und unter Nomaden nicht alles gelernt: Trittsicher und gewandt können sie sich durch Sand, Steine und Dornengestrüpp bewegen. Ohne jede Hilfe sind sie imstande, in den Sattel eines Kamels zu steigen, auf Dromedaren zu reiten und durch unterschiedliches Zungenschnalzen das Schritttempo der Tiere zu bestimmen. Beduinen haben ihnen gezeigt, wie man aus Mehl, Wasser und Salz einen Brotteig knetet und zu einem Fladen formt, der in heißer Holzasche gebacken wird. Sie haben mitbekommen, dass das Essen mit den Fingern einen Sinn hat, denn durch die Berührung der Speisen soll verhindert werden, dass zu heiß gegessen wird. Auch den Chech, jenes meterlange Turbantuch aus Baumwolle, das vor Sonne, Wind und Fliegen schützt, können sie sich wie ein Beduine um den Kopf wickeln. Auch wissen sie mehr denn je ein kühles Glas Wasser zu schätzen und haben erlebt, wie herrlich lehmfarbene Brühe aus einem Wasserloch schmeckt, wenn es nichts anderes Trinkbares gibt.
    Zudem haben sie im grenzenlosen Sandmeer ihre eigene Winzigkeit wahrgenommen, haben sich über Hitze, Durst oder Staub nie beklagt und sogar Muskelkater, Schulter- und Rückenschmerzen stoisch weggesteckt. In der Auseinandersetzung mit sich und einer völlig

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