Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
nur widerwillig duldet.
Bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts soll hier im Mausoleum ein Sarg mit Reliquien des Dschingis Khan gestanden haben. Reliquien, die chinesische Muslime verbrannten, sodass sich nur noch ein leerer Sarg in der Gedenkstätte befindet. Die wirkliche Grabstelle des Dschingis Khan ist nicht bekannt. Angeblich soll sie im Norden der Mongolei im Chentii-Gebirge irgendwo am Südhang des Berges Burchan Chaldun (2445 Meter) liegen, in dessen Nähe Dschingis Khan geboren wurde. Der Name des Berges bedeutet so viel wie »Göttliche Weide«. Dort sollen Geister leben, die den Menschen Wasser und Fruchtbarkeit bringen.
Und über die Grabstelle Dschingis Khans heißt es, dass 1000 mongolische Reiter den Ort der Bestattung mit den Hufen ihrer Pferde eingeebnet hätten. Über den genauen Ort der letzten Ruhestätte konnte jedoch keiner der Reiter Auskunft geben, da alle Reiter nach ihrer Rückkehr hingerichtet wurden.
Als ich die Gedenkstätte des Dschingis Khan verließ, merkte ich, wie ich mich in einem Hochgefühl aus Erschöpfung und Freude verlor. Am liebsten wäre ich gleich morgen weitergezogen, weiter und weiter, um im Gehen zu leben. Aber mein Körper war ziemlich mitgenommen: Muskeln, Gelenke, Blasen und entzündete Augen brauchten Ruhe und etwas Pflege. Es würde einige Zeit dauern, ehe ich wieder ganz der Alte war. Einige Wochen würden darüber ins Land ziehen, in denen meine Bilder im Kopf, die ich aus Chinas Wüsten mit nach Hause nahm, ein Paradies bildeten, aus dem sich nichts vertreiben ließ – weder die Tage der Anstrengung noch die Tage voller Glück.
Mit Kind auf Reisen
Das Reisen und Unterwegssein mit Kindern gibt es schon seit undenklichen Zeiten. Die Polynesier, Wikinger, Beduinen und auch Zirkusmenschen, überhaupt die Nomaden aller Länder haben uns aufgezeigt, wie man mit Kind und Kegel unterwegs ist. Oft ist das gemeinsame Unterwegssein – ob auf dem Meer, in der Wüste oder andernorts – der Schlüssel zum Glück. Denn jenseits von Alltagstrott und der von unserer Gesellschaft abgesteckten Grenzen bieten sich Erlebnisse und Erfahrungen, die den Charakter der Einmaligkeit haben, die Kinder prägen und unvergessliche Erinnerungen schaffen.
»Segeln kann ich« oder Kyms Meerfahrt
Wilfried Erdmann
Herr gib Acht auf uns, denn das Meer ist so groß und unser Boot so klein.
Bretonisches Fischergebet
Wie schön: Eines Tages hatten wir ein Kind. Einen blond gelockten Jungen. Gesund und munter. Hatte er doch auf dem Meer einen Orkan im Bauch seiner Mutter überlebt. Wir, die Eltern, liebten ihn. Statteten ihn mit Spielzeug, feinen Klamotten und Kosenamen aus: Ole, Pinky, Kimmi. Ebenso liebten wir das Segeln. Genauer: das Reisen mit einem Segelboot. »Wenn es etwas gibt, das ich mehr als alles andere liebe, so ist es das Segeln auf dem Meer«, sagte ich. Folglich nahmen wir den Kleinen, als er drei Jahre alt war, für eine lange, große Segelreise mit an Bord. Drei bis vier Jahre waren avisiert. Start sollte Neuseeland sein. Ziel Südfrankreich. Dazwischen die Südsee, ein blauer Traum mit grünen Inseln, farbigen Lagunen, viel Sand und Sonne. Gesegelt wurde mit einer zehn Meter langen, schönen, weißen Slup.
Genau genommen war das Boot ein wenig klein für uns drei. Doch wir trösteten uns damit, dass der Törn meist in den Tropen stattfinden und somit Deck und Cockpit zusätzlich als Lebensraum gelten würde. Außerdem hatte Kym sein eigenes Reich: das Vorschiff mit Koje, Schrank, Spielzeugkiste und Bücherschapp. Letzteres war allerdings anfangs ziemlich leer. Wir hatten nur wenige Kinderbücher im Gepäck.
Vor dem Zählenlernen interessierte sich unser Sohn für Seekarten.
Vor unserem Aufbruch gab es ziemlich viel Kritik. »Haben Sie denn keine Angst, dass Ihr Sohn krank wird?« Nein. Oder immer wieder die soziale Komponente: »Und alles ohne Spielgefährten? Wie kann er sich denn so lange auf See allein beschäftigen?« Allein ist er nicht. Die Eltern sind ja auch noch da. »Wie könnt ihr bloß ein solches Risiko eingehen?« Doch es gab auch Leute, die begeistert von unserem Vorhaben waren. »Toll, dass ihr euch so was traut, wir könnten das nicht.« Unterwegs erlebten wir dann viele überraschende Reaktionen: »Guck mal, wie geschickt er rudern kann! Wie alt ist er? Erst dreieinhalb Jahre? Das kann doch nicht sein.« »Was für ein prächtiges Kerlchen, isst alles, schläft überall, spielt mit jedem!«, bemerkte eine Gastgeberin bei einer
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