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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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beschäftigt. Er besaß die Unbefangenheit, alle Tiere vorurteilsfrei anfassen zu wollen. Aber nur so lange, bis ihm eine Kokosnusskrabbe mit ihren Zangen einen Finger quetschte. Das muss wehgetan haben, denn auf »die Dinger« ging er später mit der Machete los. Im Sand bestaunte er Ameisenstraßen. Im Flachwasser räumte er am liebsten Steine zur Seite, um zu sehen, was darunter lebt. Wir erlaubten ihm gleich den Umgang mit Messer und Machete und anderen Werkzeugen. Mit dem scharfen Buschmesser ging er gern auf »Jagd«.
    Das Schönste aber waren für ihn die Spiele. Die Spiele in der Natur, mit dem, was die Natur hergab: Treibholz, Steine, Muscheln. Und vor allem Kanus. Mit denen konnte er (anders als mit unserem behäbigen Schlauchboot) im Slalom zwischen den Pfahlhütten hindurchpaddeln. Am besten gefiel ihm aber der Umgang mit selbstgebauten Booten. Aus dem Busch holte er sich trockene Kokosnüsse, halbierte sie und bastelte aus den Schalen Bötchen. Als Segel dienten große Blätter. Mit diesen unförmigen Dingern segelte er seine eigenen Regatten. Täglich stand er so lange im Wasser, bis jedes seiner fünf bis sechs Boote ein Mal gewonnen hatte. Sport wurde ebenfalls nicht vernachlässigt: Vor allem liebte er Schwimmen und Rudern. Allein das Klettern aus der Kajüte an Deck, weiter ins Dingi und wieder zurück an Deck war für den Dreikäsehoch immer eine – sehr gesunde – Kraftanstrengung.
    Von Anfang an war uns klar, dass Fahrtensegeln für ein Kind wundervoll sein muss. Statt Fernsehen und Bonbons gab’s jeden Tag neue Erlebnisse. Auch auf See war ja selten ein Tag wie der andere. Nebenher lernte er speziell im letzten Jahr mit Astrids Anweisungen das Segeln. Wenden fahren, steuern, Segelstellungen einschätzen, Segel bergen, Knoten schlagen und was sonst dazu gehört. Zu gerne machte er Dinge, wo man anschließend etwas sehen konnte: Schoten zu Schnecken aufschießen, Taue aufschlagen, Deck waschen und Segel einsacken.
    Im thailändischen Ko Phi Phi wurde er sechs Jahre alt und begann eigenständig zu werden. Nun wollte er nicht mehr unbedingt mit uns an Land gehen. Er organisierte sich selbst. Zugegeben: Für Astrid und mich war das eine Entlastung, denn ein Kind den ganzen Tag um sich zu haben und zu beschäftigen ist kein Zuckerschlecken.
    Kym dachte schließlich auch an sein zukünftiges Leben: »Segeln kann ich, meine Schuhe zubinden nicht.« Seine Welt war barfuß. An einer selbstgebastelten Pappuhr übte er die Uhrzeiten: »Damit ich nicht zu spät in die Schule komme.« Ihn interessierte immerhin auch die Freizeit in der Heimat, von der wir erzählten und die er bewusst gar nicht kannte. »Kann man dort auch Fische fangen?« Reizvoll erschien ihm die Aussicht, Fahrrad zu fahren. Das wollte er zuallererst lernen. Und? Man glaubt es nicht, er freute sich auf viele bunte Magazine, um Bilder für seine Collagen auszuschnibbeln und aufzukleben.
    Wenige Wochen vor seinem siebten Geburtstag war die Reise zu Ende. Wir konnten einen aufgeweckten, gesunden Jungen in die Schule schicken, der sich mit Pflanzen und Tieren, hauptsächlich mit Krabbeltieren, auskannte und mit Hammer und Messer zu hantieren wusste. Überhaupt, es ist nicht wahr, dass man ein Kind mit einer Reise wie der unseren großen Strapazen aussetzt. Kym ist einige Jahre im Paradies aufgewachsen – wer kann das von sich schon sagen?

Was die Wüste alles lehrt
    Achill Moser
    Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.
    Johann Wolfgang von Goethe
    »Wenn es mir mal schlecht geht, gehe ich in die Wüste!« – Das war das Fazit meines vierzehnjährigen Sohnes Aaron, als wir nach einer dreiwöchigen Kameltour durch die ägyptische Wüste Sinai nach Dahab zurückkehrten, ein kleiner Ort am Golf von Akaba. Mit einer so positiven Reaktion hatte ich nicht gerechnet, denn unser Kamel- und Fußmarsch durch das Land der Bibel war voller Anstrengungen gewesen, die Aaron in bewundernswerter Weise meisterte, ohne sich auch nur einmal zu beklagen. In 21 Tagen waren wir kreuz und quer über die Sinai-Halbinsel gewandert, um in einem entlegenen Wüstenwinkel zu einer etwa 200 Meter langen Sandsteinformation zu gelangen, die wie ein ruhender Saurier wirkte. Ein imposantes Steingebilde, das von der Erosion in Jahrmillionen geformt worden war und den Beduinen seit undenklichen Zeiten als Begegnungsstätte und Wegmarke gilt. Begleitet wurden wir von zwei Beduinen: Hamed, ein guter Freund, dessen Familie seit

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