Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
waren ein 8-PS-Benziner und eine Staudrucklogge installiert. Speed interessierte mich, der Motor weniger. Er startete erst mal sowieso nicht. Später legte ich ihn wegen vieler Defekte komplett still. Mit kathena wollte ich gleich um die Welt segeln. Weite See, Häfen und blaue Buchten, Inseln und ihre Bewohner erleben. Im Hafen von Alicante am spanischen Mittelmeer ließ sich davon leicht träumen. Ich war umgeben von Segelbootsbesitzern, aber das Meer in seiner unendlichen Weite hatte keiner von ihnen je besegelt. Ja, fast wäre auch ich im schönen Alicante hängengeblieben. Das einfache Leben am Kai, das leichte Leben am Strand, überhaupt die spanische Lebensart machten träge und verführten zum Bleiben.
Wie sah das Leben an der Muelle de Yates in Alicante aus? Ziemlich verrückt. Auf dem Kai waren es die Männer, die Ordnung hielten, einige rauchten, andere waren für Geschichten zuständig. Besserwisser fehlten natürlich nicht. Die Frauen dagegen gingen einkaufen und hielten das Boot sauber. Ein Bild, das sich wahrscheinlich bis in die heutige Zeit nicht verändert hat. Für mich waren die Monate dort von großer Bedeutung. Ich schnappte so manchen Tipp auf und lernte besser englisch zu sprechen (die Mehrheit der Bootseigner waren Engländer). Ging es um Arbeiten im Mast anderer Boote, war ich zur Stelle. Damit verdiente ich mir manchen Peso und wichtiger: Anerkennung.
Ich fing an, mich zu beheimaten in der Freiheit eines wunderbaren Hafens. Ich spürte, kathena ist eine Zuflucht, ich empfand sie schon jetzt als mein Zuhause. Aber auch Alicante war ein Ort in der Fremde, wo ich mich sicher fühlte. Hier hatte ich Freunde, den Markt, den Bäcker, die Bodega … Sollte ich das alles aufgeben? Aus Ehrgeiz und Neugierde? Es ist nicht nur reizvoll, sondern auch dramatisch, in eine Welt aufzubrechen, die einem unbekannt ist – Ozeansegeln, Südseesegeln, Weltumsegeln. Alles kribbelte in mir, und ich musste mich schütteln, um unliebsame Gedanken loszuwerden.
Indes: Monate später schrieb ich in mein Logbuch, das zugleich Tagebuch war:
Ich bin unterwegs. Um mich herum nur Wasser. Der Atlantische Ozean. Ich bin auf dem Weg um die Welt. Allein.
Dazwischen lag viel Üben. Viel Mittelmeer. Viel Unsicherheit. Mache ich es, oder lasse ich es besser bleiben? Ich konnte mich mit niemandem beraten, denn ich hatte niemanden, der sich mit Ozeansegeln Ahnung auskannte. Keinen Freund, keine Freundin.
Warum überhaupt über das Meer segeln? Zum Allerersten: Es bedeutete für mich schon damals die allergrößte Freiheit. Kein Visum, keine Bootsregistrierung, kein Segelschein waren nötig, um alle Ozeane zu besegeln. Das war ein Pluspunkt mit Bestand. Hinzu kamen der sportliche Faktor, der handwerkliche Aspekt und letztlich die Kopfarbeit. Wie navigieren und die Übersicht behalten? Dann versuchen, optimal die Segel zu trimmen. Segel trimmen heißt sozusagen, das Gaspedal des Bootes bedienen. Und letztlich bereit sein, das Boot Tag und Nacht voranzubringen.
Dass ich keine Ahnung vom Segeln hatte, verriet ich beim Bootskauf nicht. Ich erwarb es ganz unbekümmert und ohne Probefahrt. Denn beim Segeln hätte der englische Eigner sofort gemerkt, dass ich davon keinen Schimmer hatte. Das wäre mir irgendwie unangenehm gewesen. Andererseits hätte ich mir dabei für die Praxis etwas abgucken können. Ich entschied mich für den Kauf ziemlich rasch, sozusagen über Nacht. Wohl auch, um am Kai den anderen gegenüber mein seglerisches Unwissen zu kaschieren.
Sofort konnte ich mein Boot in Besitz nehmen, obwohl es noch nicht bezahlt war. Packte meinen Segelsack aus und schaute mich um. Alles sah genauso aus, wie ich es schon auf Abbildungen in Fachmagazinen gesehen hatte: Kochecke, Klo, zwei Kojen, in der Mitte der Kajüte der Schwertkasten mit Tisch obendrauf. Die Bilge war flach. Stehhöhe gab es nur am Niedergang bei geöffneter Luke. Ein Bücherbord signalisierte: Man segelt mit Lesefutter. Die Polster waren durchgelegen. An Deck warf ich einen Blick auf das Rigg: Vorstagen aus Niro, der Rest galvanisierte Drähte. Es waren viele Drähte. Bezeichnen konnte ich sie im Einzelnen nicht, aber ich dachte: Die werden den Mast schon tragen.
Mein Eindruck an Deck: Der Lack war blind und abgeblättert. Ohne selbstlenzendes Cockpit, Reling und Heckkorb geht auf See gar nichts (hatte ich mir angelesen). Das galt es zu verändern, was ich auch umgehend in Angriff nahm.
Erst Monate später nach all diesen Arbeiten versuchte ich hinaus
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