Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
die Dinge, um die es geht. Reis mit Cheddar und gebackenen Bananen, Tomaten auf Toastbrot. Nicht schlecht für eine Mahlzeit in einer einsamen Bucht. Und irgendwann fahre ich dann weiter.
Viele Aspekte des Jollensegelns sind eine Metapher für das richtige Leben. Wenn irgendetwas nicht funktioniert, darf man nicht gleich die Nerven verlieren. Und überhaupt geht es nicht darum, Strecke zu machen oder schnell zu sein. Reisen in der deutschen Idylle ist: Espresso, Lesen, Fische fangen, an Land sitzen und sein Schiff bewundern, wenig reden und sich treiben lassen.
Das Risiko eines Ostseetörns ist begrenzt, sofern man vier Dinge im Auge behält:
Erstens: Von Vorteil ist ein Radioempfänger, damit man stets über die Wetterlage Bescheid weiß. Vor der Abfahrt sollte man unbedingt das Wetter beobachten und unterwegs immer im Blick behalten.
Zweitens: Sich bloß keinen Kurs erzwingen wollen. Segelflächen rechtzeitig reffen. Eine Jolle will nicht vergewaltigt werden.
Drittens: Vorbereitet sein mit Kurs, Ausweichmöglichkeiten und Seezeichen. Gegebenenfalls sollte man sie auf einem Spickzettel notieren, den man bei sich trägt oder der im Cockpit klebt.
Viertens: Man weiß nie, wie eine Kenterung ausgeht. Die meisten Jollen haben Auftriebskörper montiert. Dennoch: Sicherheitsgurt und Rettungsweste sind unverzichtbar. Das Handy, wenn gewünscht, sollte man im Tupperbehälter mitführen. Alle beweglichen Teile, die man nicht verlieren möchte, müssen festgelascht werden.
Zugabe: Für Schlechtwettertage im Hafen oder in einer Ankerbucht sollte man ein paar Bücher einpacken – die, die Sie schon immer gerne lesen wollten.
Aufgrund der Größe des Bootes und der Handhabung an Bord hält das Segeln über See und in Küstenrevieren Sie körperlich fit. Trimmen, Steuern, Ankern, Schwimmen, Kurzbesuche am Strand – Abwechslung ist immer geboten. So entdecke ich die eigene Beweglichkeit und die eigene Lebendigkeit wieder. Ich spüre das Wetter, Regen, Wind, Sonne, Sterne, Hitze und Kälte wie nie zuvor.
Wichtig ist natürlich beim Segeln, Körper, Kopf und Füße entsprechend zu schützen. Bei dem reichhaltigen Angebot an Ölzeug und Funktionswäsche sollte es heute kein Problem sein, die richtige Kleidung für jedes Wetter zu finden. Durch das mobile Reisen kann es gelingen, die Angst vor zu viel Wind, vor Regen, Gewitter und Navigation abzulegen. Meine jugendliche Gelassenheit gegenüber dem Wetter verdankte ich sicherlich meinen ersten großen Reisen. Auf meinen Ozeanfahrten habe ich Wetterberichte weder über Funk noch Radio erhalten. Ich nahm das Wetter, wie es kam.
Eines meiner schönsten Jollenerlebnisse auf der Ostsee war, bei strömendem Sommerregen den ganzen Tag über von Årøsund bis in die Schlei an der Pinne zu sitzen. Allein. In der einen Hand das Ruder, in der anderen eine Pütz, mit der ich die Bilge lenzte (meine Jolle hatte keine selbstlenzende Plicht). Was ins Boot regnete, lief nicht ab, es schwappte über die gesamte Bilge und an den Bordwänden hoch. Das rhythmische Klatschen des Wassers – innen wie außen – war die Quelle, die mir die nötige Kraft und Lust gab, solch ein Wetter über Stunden zu genießen. Es war ein unverwechselbares Erlebnis, weil sich die Natur zugleich weich und mild zeigte. Land war nicht auszumachen, in Sichtweite nur Wasser und mein kleines Boot. Ein herrliches Gefühl, so als gäbe es auf der Ostsee nur mich. Als Krönung ankerte ich später am Schilfsaum auf schimmerndem Wasser der Schlei. Das Wasser war bläulich, aber so klar, dass ich kleine Sandhügel am Grund erkennen konnte, beinahe so, als ob gar kein Wasser da wäre. Ringsum wuchsen dunkelgrüne Schilfstängel aus dem Boden, welche sich in der leichten Strömung wiegten. Ich konnte diese Strömung fühlen. Es gibt keine einsameren Orte als flache und geschützte Ankerbuchten.
Diese Unabhängigkeit ist leicht finanzierbar. Man zahlt dafür nicht mehr als für einen Pkw – einen Golf zum Beispiel. Darin eingerechnet Ausrüstung und die gesamten Kosten eines Sommers.
Und los geht’s. Let’s sail!
Einmal habe ich eine monatelange Jollenreise nach Dänemark und Mecklenburg-Vorpommern unternommen. Allerdings aus Interesse an der Landschaft, aus Neugierde und aus sportlichen Gründen. Wohl auch aus historischem Interesse, denn es war 1990, das Jahr nach dem Mauerfall. Da ich an Bord meines »Zugvogels« (5,80 Meter Länge) keinen Motor hatte, wurden die Kanalstrecken in Mecklenburg-Vorpommern seglerisch
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