Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Neugier weckt, mich emotional packt und in mir den Wunsch entfacht – auszureißen. Kommt dann noch mit unkomplizierter Naivität eine zündende Idee für ein abenteuerliches Unterwegssein hinzu, gibt es für mich kein Halten mehr. Dann stürmt die »ausgeguckte« Welt tief in mein Inneres hinein, erfüllt mich mit Begeisterung und treibt mich voller Elan voran.
So war es auch im Frühjahr 2012, als es mich in den Oman zog. Ein Land, das zu 98 Prozent aus Sand und Stein besteht. Dort wollte ich die Wahiba Sands erwandern. Eine Inlandswüste, die im Nordosten des Oman liegt und sich über eine Fläche von rund 12 000 Quadratkilometern erstreckt. Von Norden nach Süden misst sie 200 Kilometer, in West-Ost-Richtung nur 80 Kilometer. Allein stehende Dünenzüge wuchsen hier im Laufe der Jahrhunderte zu einem geschlossenen Sandmeer zusammen, dessen Dünenketten – manche bis zu 200 Meter hoch – von Norden nach Süden parallel verlaufen, sodass die Wahiba Sands nur in dieser Richtung zu durchqueren sind. Begrenzt wird diese Wüste durch das Wadi Batha im Norden und das Wadi Halfayn im Süden. Beide führen regelmäßig Wasser und verhindern so eine Ausdehnung der Einöde. Im Westen erstrecken sich Gebirgszüge, und im Osten reicht der Flugsand bis an das Arabische Meer heran.
Wie die erstarrten Wellen einer stürmischen See wirken manche Dünenzüge der Wahiba Sands im Sultanat Oman.
1949 war es der Engländer Sir Wilfred Thesiger (1910–2003), der als erster Europäer die Wahiba Sands durchwanderte – der Name bezieht sich auf die Wahiba-Beduinen, die in diesem Gebiet schon seit langem leben. Zu jener Zeit war der Oman von der Außenwelt völlig abgeschnitten. Und da dem strenggläubigen Sultan Said ibn Taimur alles Fremde verhasst war, kleidete sich der Brite Thesiger wie ein Einheimischer. Ihn begleiteten drei Beduinen, die er kennengelernt hatte, als er zwischen 1945 und 1949 zweimal durch die Wüste Rub al-Khali (das »Leere Viertel«) reiste. Sie ist das größte zusammenhängende Sandmeer der Welt: in Ost-West-Richtung 1300 Kilometer, in Nord-Süd-Richtung 500 Kilometer. Doch Thesiger wanderte nicht einfach nur durch die Wüste. Fünf Jahre war er unterwegs, lebte bei Beduinenstämmen und wurde ein Nomade, ein Freund der Wüste. Von ihm stammen auch folgende Worte, die ich in seinem Buch Die Brunnen der Wüste immer wieder gerne lese: Niemand kann dieses Leben leben und unverändert daraus hervorgehen. Er wird für immer, mehr oder weniger deutlich, das Zeichen der Wüste, das Zeichen des Nomaden tragen; und er wird immer das Heimweh nach diesem Leben spüren, leise oder brennend, je nach seiner Veranlagung. Denn dieses grausame Land kann einen Zauber ausüben, dem ein gemäßigtes Klima nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hat.
Seit ich in jungen Jahren Thesigers Buch gelesen habe, das 1959 unter dem Titel Arabian Sands in England erschienen ist, träumte ich davon, es ihm gleichzutun. Ich wollte durch Wüsten wandern, wie ein Nomade leben und eines Tages auch die einzigartigen Wahiba Sands durchqueren.
Im Vergleich zu Arabiens Wüste Rub al-Khali und Afrikas großer Sahara ist die Wahiba Sands eine eher kleine Einöde. Gleichwohl gilt sie bei manchen Wissenschaftlern als »Modellwüste«, denn die naturräumlichen Gegebenheiten sowie die geologischen und klimatischen Bedingungen sind ganz ähnlich wie in den großen Einöden der Erde. Zudem bergen die Wahiba Sands das weltweit größte Gebiet mit meterdicken versteinerten Sanddünen, die Aeolianite genannt werden. Manche dieser bizarren Formen aus gelbem Sand befinden sich unter den Dünen, andere liegen völlig frei an der Oberfläche. Im Osten der Wüste fallen manche steil zum Meer hin ab.
Kein Zweifel, diese Wüste war genau das richtige Heilmittel gegen Fernweh. Also bremste ich den Alltag aus, packte in bester Stimmung meine Siebensachen und wechselte die Welt in weniger als einem Tag. Einmal mehr hieß mein Motto: »Auf und davon«.
Acht Stunden dauerte der Flug von Hamburg über Frankfurt und Riad nach Maskat, der Hauptstadt des Oman. Als ich das Flugzeug verließ, umhüllte mich brütende Hitze. Heiße Trockenluft wie aus einem Föhn. Schon nach wenigen Minuten klebten die Kleider an der Haut.
Die Zeitverschiebung betrug nur drei Stunden. Doch die Welt, in der ich gelandet war, erschien mir viel weiter und ferner, denn das Sultanat Oman ist ein Land voller exotischer Szenerien aus Tausendundeiner Nacht. Ein Land, dessen Pracht
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