Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
zur Herausforderung. Ich machte mir ein Spiel daraus, wie ich jeden Wind, der größtenteils durch Busch und Bäume am Ufer abgedeckt oder abgelenkt war, zu nutzen versuchte. Man konzentriert sich dabei so sehr aufs Segeln, dass man alles andere vergisst.
Einen Segelschein braucht man für solche Jollentörns nicht. Aufgrund des geringen Tiefgangs kann man überall dicht ans Land heran. Wild und frei an Bäumen festmachen und übernachten, nah am Ufer, vor Schleusen und wo auch immer. Total romantisch. Ich war traurig, als meine Reise zu Ende war.
Auch im Hinblick auf die Umwelt war diese Jollenreise vorbildlich. Ich hatte danach kein Segel verschlissen, keine Instrumente zum Wegwerfen (außer Kompass und Radioempfänger war ja nichts vorhanden), keine Reparaturen. Sicherlich alles nachhaltig. Gekocht wurde mit Petroleum auf einem einflammigen Kocher.
Diese Art Ausbruch kann ich empfehlen. Er ist schnell umsetzbar. Und man wird ihn nicht vergessen – wenn man sich Zeit nimmt. Solch eine Fahrt ist auch gut und gesund, wenn sie nur über wenige Wochen geht, doch sie prägt sich noch stärker ein, wenn man einen ganzen Sommer lang seinem Alltag entflieht. Davon kann man dann Jahre zehren.
Normalerweise fühlt man sich anschließend gestärkt und neu belebt. Meine Frau meint allerdings: »So einfach ist das nicht. Nicht jeder, der sich eine Auszeit wünscht oder nötig hat, hat die Möglichkeit, sie mit einem Segelboot umzusetzen. Es gibt im Normalfall die Familie, den Beruf, die festen Kosten. Und was ist, wenn ich von meinem Segelsommer zurückkomme?« Doch auch dafür gibt es häufig Lösungen, wenn man wirklich will. Und: Zur Gesundung gehört von vornherein Aufgeben, um danach völlig neu anzufangen.
Eine Einschätzung bleibt: Warum zum Arzt gehen, wenn es mit einem Boot so viel einfacher ist und so viel mehr Nutzen für mich bringt? Erst kürzlich hat eine Frau Segelurlaub von ihrer Krankenkasse genehmigt bekommen.
Gut, dann gibt es natürlich noch die dritte Variante für die große Auszeit: Seesegeln. Mit einem seetüchtigen Segelschiff loszufahren, um sich zu verändern und Gelassenheit zu gewinnen, ist ein völlig anderes Kaliber. Dafür ist es allerdings sehr wichtig, das richtige Boot, die richtige Ausrüstung zu wählen. Das kostet Zeit, dafür braucht man Wissen und muss auch mehr Geld hinlegen. Voraussetzung für einen gelungenen Segeltörn sind Rumpf, Takelage, Ruderanlage des Bootes. Dicht sollte das Boot ebenfalls sein und eine gute Maschine haben. Das wäre die wünschenswerte Basis. Die allerneuesten Modelle der modernen Werften sind für entschleunigtes Reisen auf dem Wasser eigentlich weniger geeignet. Nichts daran ist nachhaltig. Nichts daran ist vernünftig. Die Technik löst manuelles Segeln ab: Rollreff und Elektrowinden für die Segel, eine Tauchplattform am Heck, Mikrowelle, CD-Spieler, Seekartenplotter, Kaffeemaschine, Heizung. Weder kommunikative Einbindung noch Kühlung und fließend Wasser fehlen. Auch sonstige Konsumwünsche lassen sich leicht erfüllen. Doch wenn all dieser Plunder aus unserem Alltagsleben mit an Bord kommt, lässt sich schwerlich in eine effektive Auszeit starten. Sicherheit und Wohlbefinden sind wichtig, und vor allem sollte man den Kopf frei haben fürs Segeln.
Wer in See sticht, soll sich in erster Linie dem Segeln hingeben – das ist und bleibt für mich das Wesentliche. Eine Voraussetzung dafür ist, dass man möglichst wenig Technik zu warten hat, nichts reparieren muss und sich nicht durch fremdbestimmte Aufgaben wie Bloggen ablenkt. Nur so hat man die Möglichkeit, schön langsam zu leben und nicht immerzu ans Materielle zu denken.
Damit bekommt die Erfahrung des Segelns einen ungeahnten Tiefgang. Und dies unabhängig davon, für welche Variante man sich entscheidet: Ob man mit einer Jolle die Dänische Südsee erkundet, ob man mit dem Kajütkreuzer über die Ostsee fährt oder mit einer Segelyacht die Karibik bereist und in die exotische Fremde eintaucht.
Nach Arabien – in die Wüste der Geister
Achill Moser
In der Wüste hatte ich eine Freiheit gefunden, die in der Zivilisation nicht zu erlangen ist, ein Leben, das kein Besitz behindert, da alles, was nicht lebensnotwendig ist, eine Last bedeutet.
Wilfred Thesiger, Die Brunnen der Wüste
Es ist für mich immer eine große Freude, wenn ich beim Lesen von historischen Reiseberichten oder beim Blättern in alten Landkarten ganz zufällig auf eine Region stoße, die meine Aufmerksamkeit und
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