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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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mich aufsaugen und das Ausgeliefertsein an die Launen der Natur genießen.
    In solchen Momenten möchte ich mit keinem Menschen auf der Welt tauschen. Denn das Leben in der Wüste ist Bewegung und ständiger Wandel. Ohne Unterlass deckt der Wind hier alles zu und legt wieder frei, schafft immerzu Neues – und dennoch bleibt die Landschaft gleich.

Entdeckerlust
    Auch heute im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der Handys und des Internets, gibt es auf unserer Erde noch Abenteuer und Entdeckungen, jenseits aller ausgetretenen Pfade. Und wer mit Unternehmungslust und Neugier dazu bereit ist, den Schritt ins Risiko zu wagen, um in ferne, fremde Welten einzutauchen, wird diese Regionen auch finden, vor allem auf den Meeren und in den Wüsten der Welt. Denn der Mensch wurde Mensch, indem er immerzu Neues wagte.

Nach Indien, um das Meer zu finden
    Wilfried Erdmann
    Alles in allem gibt es nur zwei Arten von Menschen auf der Welt – solche, die zu Hause bleiben, und solche, die es nicht tun.
    Rudyard Kipling
    Vor dem Segeln kam das Radfahren. In meiner Jugend war ich Straßenradrennfahrer. Mein Rad, eine Maschine vom Typ Diamant, war das Beste, was der Markt in der DDR in den fünfziger Jahren hergab. Damit lernte ich Magdeburg kennen, Rostock, Wismar, Schwerin, Berlin, Jüterbog, den Harz und viel Provinz. Dennoch: Ich war ein Fahrer des Mittelfeldes. Weder gut noch schlecht. Was lag näher, als sich nach drei renntechnisch wenig erfolgreichen Saisons in Richtung Tourenfahren zu orientieren? Und dafür hatte ich mir mit gerade siebzehn Jahren Indien ausgesucht. Weiter weg hätte ich es mir sowieso nicht vorstellen können. Indien auch deshalb: Ich hatte indische Radrennfahrer in Berlin fahren sehen. Mit Turban, in weißen, langen Pluderhosen, und die Barthaare waren bis hinter die Ohren weggezwirbelt. Das erschien mir sehr exotisch. Dort wollte ich hin. Straßen gab’s offensichtlich. Hätten sie sonst Straßenradrennfahrer?
    Vor der Fahrt nach Indien kam erst mal die Route zum eigentlichen Startpunkt. Das musste der Westen sein. Schleswig-Holstein. Also radelte ich 1957 kurzerhand der DDR davon. Nachdem dieser nicht ganz einfache Aufbruch gelungen war, würde mir auch die große Tour gelingen, dachte ich. Mit westdeutschem Reisepass, Zelt und Schlafsack machte ich mich dann bald auf die Strecke. Nicht direkt. Ich entschied mich, Indien über Italien anzugehen. In der Schule war ich in Geschichte sehr gut: Hannibal und die Elefanten brachten mir immer gute Noten. Wie der Rapallo-Vertrag, Vesuv und Pompeji, Syrakus, Palermo und Friedrich II., der Stauferkaiser. Paradoxerweise hatte mich alles Italienische immer besonders interessiert. Es war sozusagen Pflicht, den Stiefel hinunterzuradeln.

Am Anker vor Coconut Island in der Torresstraße.

Na ja, radeln war es offenkundig nicht. Die Berge hoch, häufig über endlose Serpentinen, die Sonne heiß, der Magen leer und die Kehle trocken.
    In Palermo angekommen, legte ich eine zweiwöchige Pause ein. Aus dem Stand erkletterte ich erst (in Sportschuhen) die berühmte Nordwand des Monte Pellegrino, den auch Goethe schon bestiegen hatte. (Leider erklomm ich nie wieder eine Wand, mangels Gelegenheit.) Dann verdiente ich mir als Handwerker in einem Kaufhaus ein paar der riesengroßen Lirescheine und war nun finanziell bereit für Afrika.
    Tunesien hatte vor kurzem (1956) seine Unabhängigkeit von Frankreich erlangt und war für mich schön, fremd und freundlich. Zur Schüssel Hirse stellte man mir einen Tonkrug Wasser, den ich auch brauchte, wegen der Schärfe des Essens. Obstsaft bekam ich aus frischgepressten Früchten. Köstlich. In Sfax, in einem dieser exotischen Kellergeschäfte, stöberte ich eine Straßenkarte auf, die mir ins Auge stach. Eine Michelinkarte von Nordafrika mit allem, was eine Straßenkarte so dokumentieren sollte. Eingezeichnet waren Routen und Wege durch die Sahara mit Oasen und Brunnen. Toll. Ich war ganz hingerissen. Die Sahara, die sollte es sein. Ich fuhr weiter entlang der Küstenstraße bis Gabès, wo ich mich endgültig für die Libysche Wüste entschied und rasch entschlossen Ghat, poste restante als Postkasten für die Briefe meiner Familie wählte. Ziemlich blauäugig, genau genommen Wahnsinn. Ghat lag fast tausend Kilometer von der Küste in die pure Sahara hinein. Dies als Beispiel, wie ungemein eine Landkarte motivieren kann.
    In der Nähe von Gabès schaute ich mir schon mal eine Oase an, wo ich auch meine ersten Bananenstauden bewunderte.

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