Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Bewohnern. Sie lebten vom Export ihrer Arbeitskräfte: Die Inselsöhne waren in Neuseeland, auf Nauru oder als Seeleute auf deutschen Schiffen tätig.
Infolge des »Männerexports« war der Frauenüberschuss in den Dörfern unübersehbar – und der hier und dort an mich gerichtete Tipp unüberhörbar: »Next time you come alone.« Wir verholten uns mit Boot an den Strand einer einsamen Insel und waren allein. Schon wieder? Ja, davon konnten wir zunächst nicht genug kriegen. Ganz so, wie wir uns das erträumt hatten.
Kym verlängerte abends sein Gebet: »Lieber Gott, ich danke dir, dass es die Palme gibt.« In der Tat war sie immer gegenwärtig. Unser großer Freund und Spender: Wir verdankten ihr Schatten, Kokosmilch und -fleisch, Spielzeug und Flechtmatten.
Bald darauf waren wir nahe am Äquator. Heiß und windstill war es auf Betio, einer der Gilbert-Inseln. Kym fragte: »Hat es der liebe Gott nicht zu heiß bei der Sonne?« In der Bucht strich nicht mal ein Hauch übers Deck. Und in der Kajüte war es nur bis zum Frühstück auszuhalten. Eine Gruppe Deutscher mit ihren Familien, Ausbilder der Insel-Seemannsschule, erlöste uns unverhofft aus unserem Brutstall. Im kühlen Häuschen von Christa und Peter feierten wir Kyms Geburtstag mit Selbstgebackenem und vier Kerzen. Es war wunderschön. Ein leichter Wind zog um das blättergedeckte Haus, in der Lagune schwebten Segelkanus, Kinder spielten mit unserem Blondschopf am Ufer, und gelegentlich knatterte der Auspuff eines Mopeds im Dorf.
Wir blieben noch einen Tag und noch einen. Am Ende war es ein ganzer Monat. Der Abschied fiel schwer. Kym war das heulende Elend. Die Kinder winkten. Er tutete. Wir segelten ganz langsam davon.
Als wir nach zwei anstrengenden und nassen Amwindkurs-Tagen in dem palmengesäumten Atoll von Likiep landeten, bedeutete das für uns dasselbe wie für einen Asylsuchenden ein Bett: Ruhe und Geborgenheit. Der Anker fiel in spiegelglattes Wasser ohne Dünung, nicht die kleinste Welle zeigte sich auf der Oberfläche. Eingeborene, die herbeieilten, befestigten unsere Heckleine an einem Brotfruchtbaum und legten uns Blumenketten um den Hals. Zwei, drei, vier … viele. Frangipaniblüten, auf eine Schnur gezogen. Wundervoll der Duft. Er vertrieb Erschöpfung und Müdigkeit von den Nachtwachen. Wir fühlten uns wie zu Zeiten der bounty . So stellt sich ein Weltumsegler ein Willkommen in der Südsee vor.
Auf Likiep gibt es auf dem Außenriff ungefähr zwei Dutzend Motus. Zu diesen Inselchen verholten wir kathena faa und schwammen, suchten Muscheln, angelten oder gaben uns dem Müßiggang hin. Auf dem Motu Meron wurden wir gleich mit frisch aufgeschlagenen Trinknüssen von einer neunköpfigen Familie begrüßt. Unser Besuch freute sie, denn Fremde kamen hier so gut wie nie vorbei. Vor der Hütte stellte man uns Blechteller mit Reis und Fisch auf eine Matte und bedeutete uns zuzugreifen.
Die Jungen und Mädchen der Familie spielten mit selbstgebastelten Bötchen und allem, was der Strand so hergab. Kym passte sich an, er versuchte mit einer Holzplanke zu surfen, so wie die Kinder es ihm vormachten. Wir streiften über das Inselchen, das wirtschaftlich wirklich nicht viel hergab: Limonen, Brotfrucht, Pandanus und natürlich Kokosnüsse. Anderes wuchs auf dem wasserlosen Boden nicht. Kashedok, der Chief, und seine Frau Kiora waren unglaublich nett. Jeden Morgen lagen »Ni« – gekeimte Nüsse – für uns am Strand. Das war dort unser Frühstück.
Obwohl wir viel Zeit aufwendeten, um Muscheln zu suchen, wurden wir kaum fündig – bis Kiora sich unserer annahm. Sie zeigte uns, wie man sucht, auf welche Spuren man achten muss und an welchen Stellen des Riffs man Erfolg haben würde. Die nächsten Tage auf dem trockengefallenen Riff sind mir unvergesslich. Voller Energie lief Kiora immer voran, und wir folgten. »Unsere Trüffelfrau«, nannten wir sie. Unsere Ausbeute an Muscheln, diesen kleinen Wundern der Natur, konnte sich sehen lassen.
Später auf der Reise wurden wir wagemutig. Sehnsuchtsorte sind nicht nur schön und idyllisch. Das galt auch für unser nächstes Ziel, das Bikini-Atoll. Da es auf unserer Route lag, hatte ich mir in den Kopf gesetzt, es zu besuchen. Die Neugierde siegte über meine Bedenken, denn es ist von vielen Atombombentests verseucht und für dauerhaften Aufenthalt nicht geeignet. Die Amerikaner haben jahrzehntelang versucht, das Atoll wieder bewohnbar zu machen, aber vergeblich.
Nach einer rauen Segelei, wieder
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