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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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mal hoch am Wind, liefen wir mit strammen sieben Knoten in die Lagune ein. Nun waren wir also ohne Genehmigung auf Bikini und befürchteten, auf behördlichen Unwillen zu stoßen. Aber da war niemand, der etwas zu sagen hatte. Wir setzten mit unserem Beiboot über zum Strand und gingen bedächtig den Weg durchs Dorf. Es gab relativ junge Kokospalmen, die kaum Nüsse trugen und der öden Dorfstraße noch keinen Schatten spendeten. Rund 40 von den Amerikanern neu erbaute Häuser säumten den Weg. Nur sechs waren von Einheimischen, den zu Testzeiten evakuierten Bikinesen, bewohnt. Die anderen Gebäude standen leer, verwitterten und verfielen. Nachdem Wissenschaftler eine fortdauernde Gefährdung festgestellt haben, sind inzwischen auch diese Bewohner erneut evakuiert worden.
    An die insgesamt 66 Atom- und Wasserstoffbombenversuche in diesem Gebiet erinnerten nur noch ein paar Krater, zwei Betonbunker und das Wrack eines Landungsboots auf dem Strand. Darin spielten die paar Bikini-Kinder Verstecken. Kym zeigte ihnen – verkehrte Welt – auf einem Sandhügel, wie man mit Pfeil und Bogen umgeht. Diese Kinder besuchten keine Schule, stattdessen speerten sie Fische und tauchten nach Langusten. Sie kannten überhaupt keine regelmäßige Beschäftigung, außer Singen vielleicht. Allabendlich trafen sich alle Bewohner und sangen in die Nacht hinein. Schwermütig hörten sich Melodie und Texte an.
    Einen Großteil der Versorgung lieferten die Amerikaner. Vierteljährlich landeten sie Konserven und andere Dinge des täglichen Gebrauchs an. Diese Hilfe hatten sie den Einheimischen bei der Evakuierung in den fünfziger Jahren versprochen. Wir passten uns den Bewohnern ernährungstechnisch an. Aßen von ihren Fischen, tranken von den Nüssen, schwammen und tauchten in der optisch sauberen Lagune, wo um die 50 Schiffe auf dem Grund liegen. Sie waren die Versuchsobjekte während der verheerenden Explosionen. Übrigens: Von hier war 1945 auch ein Flugzeug mit Ziel Hiroshima gestartet. Die Atombombe nahm die Besatzung dann in Tinian auf Guam an Bord.
    Nach elf Tagen ging’s Anker auf. Wir waren von den Eindrücken merkwürdig herabgestimmt, verspürten Lust auf Lockeres, Unbeschwertes. Wir wollten endlich unsere ganz persönliche Südseefreiheit. Das Ant-Atoll erschien uns auf der Seekarte genau richtig dafür. Also segelten wir kurzerhand weiter. Vier Seetage später war Ponape erreicht. Schön, aber sehr kommerziell, doch gleich neben Ponape lag das Ant-Atoll. Durch einen Pass im Riff, geformt wie ein S, segelten wir ins Innere der Lagune. Auf glasklarem Wasser schwebte kathena faa sicher und geschützt gegen alle Winde mit dem Mast fast in den Palmkronen. Phantastisch. »Dass es so was noch gibt, wissen viele in Europa gar nicht mehr«, sagte Astrid und genoss, lang ausgestreckt an Deck, die stabilen Verhältnisse der windstillen Lagune, während draußen auf See der Passat blies. Ich hockte neben einer Bananenstaude im Schatten des Großbaums, und Kym pendelte im zur Schaukel umfunktionierten Bootsmannstuhl an einer Palme. Traum und Wirklichkeit – hier waren sie sich begegnet, auf dem unbewohnten Ant-Atoll.
    Ich schlug das Logbuch auf und zog Zwischenbilanz. Auf »unserer« Insel ging das erste Jahr dieser Weltreise zu Ende. Wir hatten 5214 Seemeilen abgesegelt und dafür 50 Tage benötigt, aber nur 40 Nächte auf See verbracht. Überhaupt: Es ist nicht wahr, dass man sich mit einem Segeltörn wie dem unseren groben Strapazen aussetzt. Auch Kym war nicht überfordert. Nur die Abschiede gingen ihm immer sehr nahe.
    Beim Verlassen vom Ant-Atoll flossen die Tränen. Diesmal war es seine Flotte Kokosnussboote mit Segeln aus Blättern, die er am Strand zurücklassen musste. Wochenlang hatte er sie gegeneinander Regatta segeln lassen. Mit einem »Gott beschütze euch« verabschiedete er sich von seinen Booten.
    Die Zeit auf Ant verstrich wie im Garten Eden. Das waren Tage, die keiner von uns je vergessen wird. Wir rekelten uns in der Sonne, trugen schon lange keine Kleider mehr, zogen sie nur widerwillig an, wenn ich mit der Kamera herumlief. Niemand hatte Lust zu posieren, aber irgendetwas muss der Mensch tun. Er ist – erkannten wir – fürs Paradies doch nicht geschaffen.
    Drei Wochen genossen wir die Ameisen-Insel, dann ging’s wieder Segel auf. Schade. Der Gedanke hielt jedoch nicht lange. Im Bordradio spielten sie auf allen Sendern Beethoven, aus Anlass seines 150. Todestages. Wie schön und passend im Rhythmus der

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