Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
anrollenden Wellen.
Kaum auf dem Meer, erlebten wir nämlich unser eigenes Stück Dramatik: Sturmfock und tief gerefftes Großsegel. Es ging gegenan und wurde nass. Astrid verschwand unter Deck, der Junge versorgte sich selbst, und mir verdrehte sich erstmals auf dieser Fahrt der Magen.
400 Meilen vor uns wartete Papua-Neuguinea. Wir schipperten über Nukumanu, Put-Put, Rabaul, Kaviang nach Garove, wo sich eine Station der Hiltruper Missionare befindet. Es war Sonntag. Ein kleiner Junge läutete zum Gottesdienst, indem er mit einem Stück Eisen auf den verrosteten Kopf einer Granate drosch – ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg, der auch Neuguinea nicht verschont hatte.
Die Kirche war ein gelb getünchter Holzbau. Die Gemeinde hockte auf roh gezimmerten Bänken, und die Kinder kauerten auf Matten. Alle waren nackt. Nur die Frauen schmückte ein lap-lap , ein buntes Tuch um die Hüften. In der letzten Reihe saßen Frauen, die ihre Babys stillten, und wir drei. Pater Empten, sozusagen ein ambulanter Priester, kramte Kreuz, Kelch und Kerzen aus der mitgebrachten Messkiste. Die Gemeinde stimmte eine Art Wechselgesang an, und die Predigt, deutlich länger als bei uns zu Hause, wurde in Pidgin gehalten. Ich döste ein wenig, denn es war angenehm kühl und schattig in der kleinen Kirche.
Abends waren wir beim Pater zum Essen eingeladen. Es gab fliegenden Hund. Kym verschlang das Fleisch wie ein Heide. Auch meine Frau, die alles isst, hatte damit keine Probleme. Nur ich brachte das »Vampirfleisch« lediglich mit vielen Chilischoten und reichlich Weißwein herunter. Pater Empten erzählte Anekdoten über das Pidgin, die Sprache der Eingeborenen, die mit 2000 Vokabeln auskommt. »Vor Jahren ließ sich ein Bischof ein Klavier schicken, und wie nannten die Papuas das Ding?« – »Bokis i gat tit sopos ju paitim i krai.« – »Kiste es hat Zähne wenn du beißt ihm es schreit.«
Auf Garove hat es uns gefallen. Zu einem Sehnsuchtsort gehört aber auch ein sicherer Ankerplatz. Für Segler steht immer Schutz vor Seegang und Sturm im Vordergrund. Der war in Garove tausendprozentig gegeben. Die Bucht lag in einem Krater mit einer ganz schmalen Zufahrt.
Auf Ungan, unserem nächsten Ziel, waren wir ganz unter Einheimischen, richtig dunklen Papuas. Hier gab es keine Missionsstation: »Go long bloody well to hell allsame!«, hieß es. Für die Eingeborenen war es unbegreiflich, dass wir nur zum Vergnügen hier waren und keine Funktion hatten wie alle Weißen, die sonst hierherkamen: Käufer für Kopra und Stammeskunst, Lieferanten für die allgemeine Versorgung. Auch die »Unganesen« hatten viel Muße. Es gab keine Plantage und schon gar nicht regelmäßige Arbeit. Sie lebten vom Fischfang, machten Kopra und tranken viel Selbstgebrautes, vergorene Kokosmilch: »All times wild too much.« Kym hatte Pidgin schnell begriffen: »Kam long Germany.«
Die Leute auf der Insel Ungan interessierten sich mächtig für unser Segelboot, besonders neugierig waren sie, wie es innen aussah. Wir luden sie an Bord ein, kochten Tee, reichten Kekse. Sie wollten wissen, wie es bei uns zu Hause ist. Astrid zeigte ihnen unseren Deutschlandbildband und gab Erklärungen dazu: Kölner Dom, Rathaus zu Bremen, Schwarzwald. Die Resonanz blieb lahm.
»Wollt ihr wissen«, fragte ich, »wie die Leute in meiner Heimat leben und was sie tun?«
Ich holte ein stark abgegriffenes GEO-Magazin mit einer Geschichte und vielen Bildern vom Leben auf einem Einödhof in Bayern hervor. Steine vom Acker sammeln, ein Schwein schlachten, wie der Bauer sich rasiert und wie die Frau Brennholz macht – das konnten sich die Papuas vorstellen, das faszinierte sie. Ab da riss der Strom der Besucher an Bord der FAA nicht ab. Jeder wollte die Bilder vom »German farmer« sehen, vor allem den Schnee, das Schlafzimmer, Kochen auf einem Holzofen, die Berglandschaft. Und da ihnen dieser Spaß offenbar genug Anlass war, ein Fest für uns zu geben, wurde ein Sing-Sing veranstaltet.
Zum Tamtam der Trommeln hob monotoner Gesang an. Einige Frauen hakten sich unter und liefen im Kreis. Wir hockten im Kreis der Eingeborenen vor Bananenblättern, auf denen Taro, Papaya, Palmherzen, gegarte Fische und gebratene Schweinestücke lagen. Es schmeckte vorzüglich, und später wurden wir wieder und wieder zum Tanz aufgefordert. Doch wir genierten uns.
»Komm, du zuerst«, sagte ich.
Astrid protestierte: »Wieso immer ich? Nein. Und mein lap-lap sitzt auch nicht richtig.«
Irgendwann erhob
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