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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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Zeit.
    Eintragung im Logbuch:
    Nach dem achten Tag brauche ich frische Luft und das Logbuch neues nasses Futter: Gischt. Es hat ganz schön aufgebrist. Südost. Ein Amwindkurs. Windstärke 6 etwa. Gebe gleich mal einen Schrick in die Schoten. 7 bis 8 Knoten Fahrt und angenehme Schräge. Mit ein wenig Humor: Kap-Hoorn-Kurs liegt an. Urplötzlich bestimmen Kreuzseen das Bild. Zerfetzt vom Bug, fliegen die Gischtfluten hoch und sacken jäh zusammen. Adieu, liebe Kalmen.

In der Windkammer Asiens
    Achill Moser
    Graugelbe Sandhosen stürmten in wilder Flucht die Dünen hinauf und machtlos auf der Leeseite wieder hinunter. Ich lag in meine Pelze gehüllt, den Baschlik über dem Kopf, unter freiem Himmel und war am Morgen im Sand buchstäblich begraben. Es war der schwerste Sturm, den wir auf dieser Reise hatten, einer der »Kara-burane«, der schwarzen Orkane, die den Tag in Nacht verwandeln.
    Sven Hedin, Durch Asiens Wüsten
    Es war wie das Auftauchen eines Phantoms. Riesige Staubfahnen tanzten, flatternden Fahnen gleich, gespenstisch über den Boden, trieben in wirbelnden Drehungen über die wellige Weite und drifteten näher. Ein raunender Wind drang an mein Ohr, und ich schaute besorgt zum Himmel. Düstere Windwolken zogen auf, verdichteten sich auf breiter Front. Kräftige Böen ließen die Dünenketten so stark »rauchen«, dass die messerscharfen Kämme und Kanten kaum noch zu erkennen waren. Ein diffuses Licht ebnete alles ein, und ich sah, was da auf mich zukam: eine Wand aus Staub und Sand, vielleicht 100 Meter hoch, die mit unglaublicher Geschwindigkeit heranbrauste. Unmöglich, in dem aufziehenden Sandsturm weiter Kurs zu halten.
    Ich lies meine Kamele niedersitzen, die sich mit dem Hinterteil zum Wind hin ausstreckten. Im Nu verwandelte sich die Wüste zum Spukbild. Meine Augen suchten nach dem Horizont, der aber nur noch im Osten zu sehen war. Ein Blick in andere Himmelsrichtungen war nicht mehr möglich. Dort hatten sich bereits breite Staub- und Sandbänder zu einer pulverigen Substanz verdichtet und einen graubraunen Vorhang gebildet, der alle Konturen aufsog. Die Landschaft löste sich auf, verschwamm völlig. Selbst der Boden unter meinen Füßen schien abzuheben, und ich konnte nur noch erahnen, wo ich meine Schritte hätte hinsetzen können.

Wenn in der Wüste ein Sturm aufzieht, hebt der Boden ab, wirbelt ein Vorhang von Staub und Sand über die Weite, verfinstert sich der Tag.

In großer Eile hievte ich die Lasten von meinen beiden Kamelen und stapelte das Gepäck in Form eines Hufeisens gegen den Wind. Dann kniete ich mich in die schützende Bucht, drängte mich an die Rücken der Kamelstuten, die mir ein Schutzwall gegen den fauchenden Wind und die heranstürmenden Sandmassen waren. Um den Kopf hatte ich ein langes Turbantuch gewickelt. Mund und Nase schützte ein wassergetränktes Tuch, während die Augen mit einer eng anliegenden Gletscherbrille bedeckt waren.
    Kurz darauf vernahm ich ein anschwellendes Tosen wie bei einer langsam näherrollenden Brandung, während ein Regen beißender Sandkörner auf meine Tiere und mich niederging.
    »Ruhig, ganz ruhig!«, flüsterte ich in das Fell der Kamele, während die Luft von Knistern, Rauschen und Rieseln erfüllt war. Doch die Tiere schienen keinen Zuspruch zu brauchen. Stoisch hockten sie da und käuten wieder. Grünlich strudelte der Mageninhalt aus ihren Mäulern. Ein Gestank wie Gülle, den ich aber kaum wahrnahm, denn unentwegt schossen Staubwogen und Sandkaskaden wie Gischt über das Gepäck und die Kamelrücken. Sandkörner, die in Mund, Nase, Ohren und kleinste Kleideröffnungen drangen. Sandkörner, die wie Nadelstiche auf der Haut brannten.
    Land unter. Und ich konnte nichts anderes tun als im Windschatten meiner Kamele daliegen und hoffen, dass das wilde Toben bald nachließ. Doch das vielstimmige Brausen, Heulen und Pfeifen schwoll immer mehr zu einem Donnern an, das die Kamele mit Gebrüll untermalten, wobei sich ein kindskopfgroßer Hautsack seitlich aus dem Maul stülpte. Schließlich stieß auch ich einen wilden Schrei aus. Ein enthusiastisches Anbrüllen gegen den Sturm, gegen die flatternde Angst. Einmal, zweimal, dann mehrfach. Völlig übergeschnappt und abgedreht. Denn irgendwie liebe ich Stürme, die mir alles abverlangen und mich auf einen einzigen Wunsch reduzieren – unbeschadet davonzukommen.
    Seit mehr als zwei Wochen befand ich mich im Norden Chinas in der Wüste Badain Jaran. Mit 47 100 Quadratkilometern ist es die

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