Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
durchs Bullauge, das nach achtern geht. Wie sieht die nächste Periode aus? Wird sie uns zuschütten? Wird vor allem die Aries Kurs halten ? Sie segelt mich und das gut getrimmte Boot. Ich entwickle U-Boot-Gefühle. Hohle Wellen, die uns treffen, klingen wie Wasserbomben im Krieg. Es rumpelt unterm Achterschiff wie nach einer Explosion. Die Wellen schlagen gegen den Rumpf, dann dauert es einen Moment, bis sie explodieren.
Dies hatte mit Segeln nicht viel zu tun. Es standen ja auch keine Segel. Nicht mal ein Minifetzen. Ich notierte im Stehen am Kartentisch weiter:
Das Leben in der Kajüte ist dunkel. Ein Petroleumlicht brennt vorsichtshalber nicht. Es könnte bei einer Kenterung Feuer verursachen. Das Leben ist aber auch ein einziges Abstemmen, Auffangen und Festhalten. Irgendwann kann ich mich nicht mehr halten, die Knie schmerzen, meine Arme machen schlapp. Ich verhole mich auf den Boden, wo ich gleich zweimal mit dem Rücken gegen irgendwelche Kanten pralle. Habe jegliche Kraft verloren. Egal. Ich müsste an Deck und selbst steuern. Die See schlägt uns fürchterlich. In der Ferne krachen die Wellen, als wollten sie uns verhackstücken. Kann mich nicht überwinden, an Deck zu gehen und die Pinne zu übernehmen. Durst? Interessiert nicht sonderlich. Aber Hunger meldet sich. Mir reicht ein Erdnussbutter-Knäcke.
Später schrieb ich weiter:
Mit der Dunkelheit ist es Orkan. Unterm Achterschiff explodiert wieder eine von diesen Seen, als hätte sie zu viel Luft geschluckt. Was meines Wissens die härteste Form eines Seeganges ist. Gang? Hier geht keine See, sie rollt und läuft. Besser wäre also von Seelauf zu sprechen. Er will uns vernichten. Die Schläge ans Schiff sind härter und lauter, als ich es je erlebt habe.
Das Wundersame: kathena nui passierte nichts. Ich staunte und bewunderte mein Schiff. Es arbeitete und kämpfte mit den Elementen. Eine Breitseite ließ uns bis über die Fenster wegtauchen. Der gesamte Aufbau wurde beim Aufrichten überspült. Ich dachte sofort an meine Fenster ringsum: 46 mal 14 Zentimeter sind in dieser Situation groß, 12 Millimeter dickes Acrylglas dünn. Stellte jedoch fest, dass die brechende See nie die Glasfläche im rechten Winkel traf. Das Schandeck wirkte als Wellenbrecher.
An Segelsetzen dachte ich nicht, aber an einen anderen Segler, der dieses Meer allerdings vor dem Wind durchsegelt hatte: Bernard Moitessier. Er schrieb: »Gott behüte mich davor, es zu wagen, hier gegen den Wind zu segeln.« Sein Schiff, ein Stahlbau von zwölf Meter Länge, wurde viele Male auf die Seite gelegt.
Erstarrt und ermattet blieb ich an diesem 113. Tag erst mal in der Kajüte. Ich kniff die Augen zusammen und horchte. Der Wind jaulte und stöhnte unverändert. Das Atmen machte mir Mühe.
Die Wassermassen schlagen weiter auf und gegen meine »Aluminiumbüchse«. Doch die Außenhaut ist 6 Millimeter dickes Blech und auf Rahmenspanten geschweißt. Trotz allen Vertrauens, Sturm macht mir immer Angst. Aber die hat nichts mit Sterben zu tun. Es ist die Furcht um den Mast, um die Segel, um eine brechende Pinne. Alles schiebt sich uns entgegen: Luft, Wasser, Lärm. Erbarmungslos. Es bricht aber nichts. Durch Spanten im Abstand von etwa 35 Zentimetern und vier verschweißte Schotts, davon zwei wasserdicht, wird eine schwer zu überbietende Festigkeit erreicht. Alle Luken sind aus Metall und verschraubbar. Ich kann wirklich behaupten: Mein Schiff ist dicht wie eine Tupperdose.
Das Lob der Vorzüge von kathena nui im Logbuch scheint zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Ermutigung gewesen zu sein. Einige Wellenberge hatten die Wucht eines mittleren Wasserfalls. Sie überspülten das Achterschiff völlig. Drückten das Heck unweigerlich nach unten, sodass die nächste Welle »einsteigen« konnte. Im Cockpit gurgelte nach solchen Schlägen das ablaufende Wasser lange nach.
Zurück zu den Logbucheinträgen dieses Tages:
Der Sturm weht weiter. Wütet mit mehr als 10 Beaufort. Direkt aus West. Direkt von vorn. Erst wenn er auf Südwest dreht, wird er schwächer werden. Wann? Noch steht jede Bö 10 Minuten, 15 Minuten. Das geht mächtig aufs Gemüt.
Vereinzelt warfen uns Wellen einfach aus dem Kurs, legten uns breitseits zur anrollenden See. Der Mast schlug dabei aufs Wasser. Ich war nervös. Hangelte mich irgendwann zum Niedergang und beobachtete das Meer von dort. Bisweilen prallten See und Boot hart aufeinander. Schleuderten das Wasser hoch in die Luft. Das Schiff schmierte dabei unrhythmisch
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