Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Bakr seiner Frau, kommst du mit den Kindern nach.
Abu Bakr und Adel haben kein Geld für den Flug in die Türkei, sie beschließen eine Reise im Bus quer durch den Iran, elf Tage weit, Abu Bakr und Adel, den Antrag für ein Visum zu stellen, fahren von Karachi in die Hauptstadt Pakistans, Islamabad. Dort, in der Botschaft der Islamischen Republik Iran, weist man sie ab, ein Visum bekomme nur, wer eine Aufenthaltsbewilligung für Pakistan vorweise. Abu Bakr und Adel irren durch die Stadt, hören von einem Uiguren, der seit Jahren hier lebt. Der Mann lädt sie in sein Haus, er gibt ihnen zu essen und verspricht, sich um die Papiere zu kümmern.
Das dauere Monate.
Besser, ihr wartet in Afghanistan, sagt der Mann, denn Pakistan, von Fall zu Fall, liefert Uiguren den Chinesen aus, besser, ihr wartet in Afghanistan, wo das Leben billiger ist, es gibt dort ein Dorf, wo nur Uiguren leben, geht dorthin, und sobald fertig ist, was ihr braucht, werde ich euch rufen.
Ein Freund des Fremden bringt Abu Bakr und Adel in seinem Auto an die Grenze zu Afghanistan, es ist der 26. Juli 2001, vielleicht einen Tag später, Soldaten stehen an der Grenze, pakistanische, afghanische, und kümmern sich um nichts, es ist Abend, als sie Dschalalabad erreichen, Afghanistan, zwei Uiguren bewirten Abu Bakr und Adel in ihrem Haus.
Dreimal, erzählt Adel den andern, war ich in den Gefängnissen der Chinesen. Das erste Mal schlugen sie mich fast tot und ließen mich liegen während Tagen. Beim zweiten, beim dritten Mal – das Übliche.
Mich hatten sie sieben Monate lang, Verhör nach Verhör, gib zu, dass du ein Separatist bist!, gesteh, du bist Muslim und Terrorist! Elektrofolter, Schlafentzug, Scheinhinrichtung.
Das Dorf, in dem nur Uiguren leben, vier Stunden hinter Dschalalabad, am Fuß einiger Berge, die Tora Bora heißen, sind sechs zerfallene Häuser, dreißig Menschen, ein grauer kahler Platz. Ein Mann ist dort, der alles kennt, ein Radio besitzt und ein großes Gewehr, Abdulmuhsin, der Führer. Abu Bakr und Adel, zusammen mit den andern, bauen die Häuser neu, einen Gebetsraum, eine Küche, sie lesen täglich den Koran, teilen Zeit und Hütte mit Akhdar Qasem Basit aus Gulja, das die Chinesen Yining nennen, und Ahmed Adil aus Kashgar, Familienväter auf der Suche nach Ruhe und Geld.
Ich sah, erzählt Akhdar, wie die Chinesen in die Menge schossen, wie sie, mitten im eisigen Winter, Wasser spritzten, Menschen auf Lastwagen zwangen und wegbrachten.
Ich möchte nach Kanada, sagt Ahmed.
Ab und an kommt ein Auto gefahren, gefüllt mit Brot, Linsen und Äpfeln. Manchmal ruft Abdulmuhsin zum Gebet, manchmal zur Übung am großen russischen Gewehr.
Wer weiß, sagt der Führer, ob ihr, was ihr hier lernt, nicht irgendwann braucht im Kampf gegen die Chinesen.
Oft sitzt er an seinem Radio, stellt es ab, wenn jemand zu ihm tritt.
Eines Tages, vielleicht am 12. September 2001, flüstert er Adel ins Ohr: Muslime haben Amerika angegriffen, Flugzeuge entführt und in zwei Türme gelenkt. Kann sein, dass Amerika sich wehrt. Aber wir sind Uiguren, Freunde Amerikas, weil Feinde der Chinesen.
Abu Bakr und Adel warten auf Nachrichten aus Pakistan.
Am 11. oder 12. Oktober 2001, nachts, werfen Flugzeuge Bomben auf das Dorf am Fuß von Tora Bora. Wer kann, flieht aus den Hütten und rettet sich in Höhlen. Nichts ist mehr am anderen Morgen, noch siebzehn von dreißig Männern, die Leiche des Führers, der ein Radio besaß und ein Gewehr, liegt in Stücken. Aus dem Tal nähert sich ein Auto, ein Afghane am Steuer, auf dem Nebensitz Ayub Haji Mohammed, ein Kind, achtzehn Jahre alt, Uigure aus Kashgar, Volksrepublik China.
Ich bin, erzählt er, auf dem Weg nach Amerika, um dort Arzt zu werden.
In Pakistan sagten sie mir, besser, du gehst nach Afghanistan. In Afghanistan raubten sie mich aus, Männer mit Gewehren nahmen mir alles weg, mein Geld, meine Papiere, meine Schuhe. Ein alter Mann gab mir zu essen, ich sagte, ich bin Uigure, und irgendwie, obwohl er nicht verstand, verstand er doch und brachte mich hierher.
Es ist Winter in Tora Bora, Schnee fällt, die achtzehn Uiguren sammeln, was essbar ist, verstecken sich in den Höhlen und hoffen, jemanden zu treffen, der weiß, wo ein Dorf ist, wo Brot und Wasser sind. Flugzeuge queren den Himmel, aus Angst vor ihren Bomben wechseln die Männer die Höhlen, die Täler, stoßen auf wilde Affen, die Steine nach ihnen schmeißen. Zwei Monate lang kriechen sie durch die Berge, sie frieren, hungern, beten,
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