Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
weitere Sitzungen geplant.
Der Mann sperrt sich in den Keller und hört laute Musik, she’s my girl, my supergirl.
Eigentlich besteht kein Grund, Sanne noch länger hier zu behalten, sagt der Arzt im Krankenhaus.
Ich kann sie nicht verbinden, ich kann sie nicht quälen, weint Linda.
Dafür gibt es den Pflegedienst.
In Utrecht reden sie ein zweites Mal, Anfang Mai, Mediziner, Juristen, Philosophen. Linda sitzt auf dem Sofa, ihr Kind neben sich, sie schaut zur Uhr, das Telefon schellt, Linda erschrickt: der Entscheid.
Wie geht es Sanne?, fragt ein Bekannter.
Schlechter denn je, lügt Linda, vielleicht stirbt sie im Lauf der Nacht.
Johan im Keller.
Sannes Zehen sind jetzt verwachsen, ihre Füße rote schuppige Stümpfe.
Tag 161, Linda und Johan holen Sanne nach Hause, 25. Juni, ein Montag, Sanne bleibt für immer, Linda M., dünn und fahl, beginnt ein Tagebuch.
Der Staatsanwalt richtet aus, selbst nach drei Gesprächen in Utrecht sei er, bei allem Verständnis, nicht bereit, die Gesetze der Niederlande zu missachten.
Dordsestraat 33, zweiter Stock, Nacht.
Heute hörte ich im Radio ein Lied, Love will find a way, ich möchte, dass man das an Sannes Begräbnis spielt.
Und dieses Stück von Syb van der Ploeg, ze is niet van dere wereld, ze is niet van dere tijed, sie ist nicht von dieser Welt, sie ist nicht von dieser Zeit.
Beugt sich Linda über Sannes Bett, sagt sie Hurra, meine Kleine!, Hurra, Prinzessin!, manchmal lacht das Kind. Kommt Johan aus der Bäckerei, lädt er Sanne auf den Arm, trägt sie durchs Haus und summt und streichelt ihr Haar. Sanne erschrickt und schreit, als Johan eine Schachtel Zigaretten aufreißt. Jeden Montag um 17 Uhr bringt er das Kind ins Krankenhaus zur Kontrolle, jeden zweiten Tag kommt der Pflegedienst und wechselt die Verbände, eine Stunde lang.
Manchmal stellt Linda den CD-Spieler auf Repeat.
Jetzt sind die Wunden grün und blau, sie stinken faul und süßlich, Pseudonomaden, sagt der Arzt, stäbchenförmige Bakterien, leider antibiotikaresistent, dagegen hilft nur eins, Baden in Essiglösung.
Sanne krümmt sich vor Schmerz.
Ihr braucht Urlaub, sagt Lindas Mutter, fahrt weg, ich kümmere mich ums Kind, ich kann das.
Und wenn Sanne stirbt?
Dann darf sie das, sagt die Mutter, wann immer sie will.
22. Juli, Sonntag, der Mann und die Frau reisen nach Italien, einen Wohnwagen hinter sich, Tag 188.
Was sind das für Leute, die in die Toscana reisen und ihr krankes Kind zu Hause lassen, was sind wir bloß für Eltern, Linda?
Sie baden im Meer und versuchen zu lachen.
Ich vermisse sie, sagt Johan.
Du auch?
Nach einer Woche sind sie zurück.
Sanne!
Mittwoch, 8.8.
7.30 Du liegst wach im Bett. Papa ist bei der Arbeit. Du bekommst dein Fläschchen, 120 ml (plus 5 ml Paracetamol, 5 ml Morphin, 3 Tropfen Tramal).
8.45 Fläschchen 120 ml (plus 10 Para, 5 Morph, 5 Lora, 6 Tropfen Tramal).
9.15 Du schläfst auf deiner Decke.
9.45 Ein großer Schwall Milch schießt aus deinem Mund. Auch dringt wieder Blut durch den Verband am linken Fuß.
Er gaat een treintje naar dromenland achter het stuur zit een olifant, es fährt ein Züglein ins Träumeland, hinter dem Steuer ein Elefant.
Sie wird bald sterben, Johan.
Ich weiß.
Die Dermatologin aus Groningen kommt nach Emmen, sie erschrickt, als sie Sanne sieht. Drückt sie eine Blase auf, wächst daneben eine neue.
Sanne wird bald gehen, Johan, mach Fotos von ihr, mach ein Foto von Sanne und mir.
Montag, 17.9.
7.00 Wach. Fläschchen (10 Prom + 10 Morph + 10 Dorm + 10 Lactulose).
8.00 Du weinst furchtbar. Mama gibt dir 10 Morph extra mit einer Spritze direkt in den Mund.
8.15 Fläschchen + Medi: 15 Morph + 15 Dorm + 10 Prom.
11.00 Verbinden. Du schreist im Bad. Dein linker Fuß und deine linke Hand sind grün. Beim Verbinden schläfst du ein.
13.00 Jetzt schläfst du.
17.15 Wach. Du liegst auf dem Tisch. Den Kopf hältst du ganz schief, bist ganz weiß, deine Augen sind klein.
17.30 Fläschchen + 10 Morph + 10 Prom + 10 Dorm. Sobald du alles getrunken hast, fängst du an, deine Äuglein zu reiben.
17.45 Ins Bett. Du schläfst sofort.
22.15 Mama und Papa gehen ins Bett. Wir schauen noch bei dir vorbei. Als du uns siehst, beginnst du zu lachen und mit deinen Beinen zu strampeln. Du bist hellwach. Wir heben sich aus deinem kleinen Bett und setzen dich zu uns ins große. Wenn wir Hiephiep sagen, wirfst du beide Arme in die Luft. Dieses Spiel spielen wir sicher zehn Mal. Es ist wunderbar! Danach geben wir dir noch ein
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