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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel & Kimche AG
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begegnen endlich einigen Fremden, Arabern, denen sie durch den Nebel folgen in ein Dorf.
    Willkommen in Pakistan, sagt ein Mann.
    Die Uiguren fürchten, jemand könnte sie an die Chinesen verraten. Sie sagen, sie seien Usbeken, wohnhaft in Afghanistan, auf der Flucht vor dem Krieg.
    Man schlachtet ein Schaf und teilt es mit den Uiguren, Zettel flattern in den Straßen: Ihr bekommt Millionen von Dollar, wenn ihr helft, die Mörder der al-Kaida und Taliban zu erwischen. Das ist genügend Geld, um damit für den Rest des Lebens eure Familien zu versorgen, euer Dorf, euren Stamm, genügend Geld, um damit den Arzt zu bezahlen, eine Herde zu kaufen, Schulbücher und Häuser für euch alle.
    Am Abend des dritten Tages führt ein Mann die Uiguren zu einer Moschee außerhalb des Dorfes. Darin sollen sie sich verstecken, sagt der Mann, die Polizei sei unterwegs, den Ort heimzusuchen. Geländewagen fahren vor, Abu Bakr, Adel, Ahmed, Akhdar, Ayub und die vierzehn anderen Uiguren, ratlos, dankbar, steigen auf die Ladeflächen, anderthalb Stunden dauert die Fahrt, dann befiehlt einer, auf Lastwagen zu wechseln, und gegen Mitternacht sind sie in einer Stadt ohne Namen, die Lastwagen halten vor einem großen weiten Haus, die Uiguren treten durchs Tor, man legt ihnen Handschellen an.
    Wir sind Usbeken, Muslime wie ihr, was haben wir getan, dass ihr uns schlagt, als wären wir Hunde?
    Irgendwann bringt einer Kleider, dünnen blauen Stoff, Hose und Jacke an einem Stück.
    Nach zwei Wochen, vielleicht drei, nachts, treibt man die Uiguren, gefesselt an Händen und Füßen, schwarze Säcke über den Köpfen, in ein Flugzeug.
    Warum?, fragt Abu Bakr.
    Weil man euch verkauft hat für fünftausend Dollar.
    Stunden später sind die Uiguren in Kandahar, Afghanistan, Männer schreien, zerren sie aus dem Flieger und schlagen sie zu Boden, vor jedem Gefangenen stehen drei Menschen in hohen Stiefeln, wer sich bewegt, wird getreten. Man nimmt ihnen den Sack vom Kopf, die Fesseln von Händen und Füßen, man zieht sie aus, nackt stehen sie in der Kälte.
    Wer wir wirklich sind, verraten wir nur den Amerikanern, flüstert Abu Bakr.
    Es wird Morgen. Über dem Gefängnis weht die Fahne der USA.
    Unsere Rettung, sagt Abu Bakr.
    Sprichst du Englisch?
    Nein.
    Warum sprichst du kein Englisch, du Hurensohn?
    Sprichst du Englisch?
    Ja.
    Warum, du Ratte, sprichst du Englisch?
    Wir sind Uiguren, geflohen aus China, wir sind keine Terroristen, im Gegenteil, wir lieben Amerika, das Land der Freiheit, wir sind auf eurer Seite.
    Immer wieder führt man sie zum Verhör, schlägt und schreit, man zwingt sie in den Staub, und hebt einer den Kopf, trifft ihn der Stiefel.
    Ich bin auf dem Weg nach Amerika, weint Ayub, der Jüngste, um dort Arzt zu werden.
    Nach Amerika wirst du kommen, lacht ein Soldat.
    Im Juni 2002, die Augen verklebt, die Ohren verstopft, den Körper an den Sitz gekettet, erreichen die Uiguren Guantánamo Bay, einen Stützpunkt der amerikanischen Kriegsmarine im Süden der Insel Kuba. Dort stehen Käfige bereit, vierundzwanzig in einer Reihe, achtundvierzig in einem Block, Camp Delta, Maschendraht.
    Man befiehlt den Uiguren, sich nackt auszuziehen, die Soldaten lachen, man führt sie in eine Dusche, zwingt sie in orangefarbene Kleider, Hose und Jacke an einem Stück, fotografiert sie und beginnt das Verhör.
    Bist du der Ansicht, die ganze Welt sollte islamisch werden?
    Abu Bakr Qassim, 13.05.1969, ist Nummer 283.
    Adel Abdulhekim, 10.10.1974, Nummer 293.
    Ahmed Adil, 01.08.1974, Nummer 260.
    Akhdar Qasem Basit, 14.11.1973, Nummer 276.
    Ayub Haji Mohammed, 15.04.1984, Nummer 279.
    Fast achthundert Männer halten die Vereinigten Staaten von Amerika auf Guantánamo Bay fest, sie sind nicht Kriegsgefangene, völkerrechtlich geschützt, Amerika nennt sie Enemy Combatants, feindliche Kämpfer, sie sind nicht angeklagt, haben keinen Richter, keinen Verteidiger, kein Recht auf Haftprüfung, sind nichts als gefangen in Käfigen aus Draht, 1,7 Meter breit, 2,2 Meter lang.
    Noch einmal, Mister Abu Bakr: Du möchtest doch auch, die ganze Welt würde islamisch?
    Im Käfig ist ein Bett aus Metall, darauf eine Matratze und zwei Laken, zwei Handtücher sind darin, Zahnpaste, Zahnbürste und eine Schüssel für Kot und Urin. Manchmal, wenn er sich erleichtert, steckt Abu Bakr ein Tuch in die Maschen des Gitters, damit ihm die Wärter nicht zusehen. Dann stehen sie von ihren Stühlen auf und lachen: Wir haben doch keine Geheimnisse, Afghane.
    Manchmal, wenn er

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