Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
schenkt Ayub, dem Jüngsten, einen Apfel, Ayub trägt ihn in den Käfig, ein Wärter findet den Apfel, am Apfel fehlt der Stiel.
Wo ist der Stiel, du Hurensohn, was hast du gottverdammt mit dem Stiel gemacht, wo hast du den Stiel versteckt?
Achtundzwanzig Tage Einzelhaft.
Gegen Ende des Jahres 2004, Monate, nachdem das Verfassungsgericht der USA den Gefangenen auf Guantánamo Bay endlich das Recht vermittelt hat, die Haftgründe von einem Richter prüfen zu lassen, Combatant Status Review Tribunals, sitzt Abu Bakr in einem engen Zimmer auf einem Stuhl aus weißem billigen Plastik, Hände und Füße an einen Bolzen gekettet, der im Boden steckt. Ein Richter thront auf schwarzem Leder, in seinem Rücken hängt ein Spiegel, dahinter, unsichtbar für den Gefangenen, Soldaten.
Ihr Amerikaner, beginnt Abu Bakr Qassim, ISN # 283, ihr seid nicht unsere Feinde. Wir Uiguren haben genug Feinde, die Chinesen, mehr als eine Milliarde. Weshalb sollten wir uns noch weitere Feinde schaffen? Sie werfen mir vor, ich hätte, als ich in Afghanistan war, den Koran gelesen. Wie können Sie mir das vorwerfen? Amerika ist doch ein demokratisches Land mit der Freiheit zu glauben, was man will. Wie können Sie uns vorwerfen, wir hätten den Koran studiert? Wie kann jemand die mächtigen USA beschädigen, wenn er den Koran liest? Ist es denn ein Verbrechen, als Muslim den Koran zu studieren? Wenn das ein Verbrechen sein soll, weshalb dann statten Sie uns hier in Guantánamo Bay mit dem Koran aus? Wenn es ein Verbrechen sein soll, den Koran zu lesen, was ist dann der Unterschied zwischen Amerika und China? Der ganzen Welt hat Amerika verkündet, es kämpfe für Menschenrechte und Demokratie. Aber Amerika, indem es uns Uiguren behandelt wie Vieh, verrät sich selber. Unser Vertrauen in Amerika war groß. Immer dachten wir, wenn uns jemand die Freiheit bringt, dann Amerika. Wie können Sie mich einen feindlichen Kämpfer nennen, mich, der ohne Waffe unterwegs war, verkauft von einigen Pakistanern? Als ich noch zu Hause war, las ich Geschichten über Amerika, verbotene Geschichten. Ich las, ein Präsident von Amerika habe einmal ein altes Haus zerstören wollen, um dort ein neues zu bauen. Doch zuvor sei er auf das Dach gestiegen und habe dort einen kleinen Vogel in einem kleinen Nest gefunden, sein Junges wärmend. Darauf habe der Präsident entschieden, das Haus stehen zu lassen, so lange, bis das Junge fliegen konnte, redet Abu Bakr vor seinem Richter.
Auch dieses Gleichnis ist der Grund, weshalb ich auf Amerika so sehr hoffte.
Abu Bakr, Adel, Ahmed, Akhdar und Ayub, seit zweieinhalb Jahren auf Kuba, erhalten einen neuen Titel, NLEC, Not longer Enemy Combatants.
Ein Rechtsanwalt aus Boston, Sabin Willet, den Menschenrechten verpflichtet, darf Abu Bakr und Adel besuchen, Juli 2005, Willet trifft sie in einer Sperrholzhütte ohne Fenster, Hände und Füße an einen Bolzen gekettet, der tief im Boden steckt. Der Anwalt, fast zufällig, erfährt, dass die beiden von allen Vorwürfen längst befreit sind, keiner hat es den Uiguren je gesagt. Willet reicht Abu Bakr das Telefon, Abu Bakr ruft seine Frau an, er weiß nichts zu reden, sie weint. Die Zwillinge sind fünf Jahre alt.
Beim Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika stellt der Anwalt den Eilantrag, seine Klienten seien sofort in Freiheit zu setzen. Das Verteidigungsministerium bedauert, über hundert Länder habe man bereits gefragt, von Angola bis Australien, von Deutschland bis Schweden, Gabun, Liechtenstein, Ägypten, Brasilien, Frankreich, Jamaica, Chile, aber keins sei bereit, die Uiguren aufzunehmen, vielleicht deshalb, weil niemand es mit den Chinesen verderben wolle.
Die USA, aus Angst, ein Beispiel zu schaffen, weigern sich, die Uiguren ins Land zu holen.
August 2005, Verlegung von Camp Delta nach Camp Iguana, vier Kilometer. Die Uiguren, umgeben von Zäunen und Stacheldraht, bewacht von Soldaten, dürfen sich bewegen, sie dürfen kochen, fernsehen, Zeichentrickfilme, Tierfilme und Harry Potter, keine Nachrichten. Der Anwalt möchte ein Wörterbuch schicken, Uigurisch-Englisch. Verboten, richtet die Gefängnisleitung aus, alles, was Gefangene gegen die USA benützen könnten, gehöre nicht nach Guantánamo Bay.
Ayub schmerzt der Rücken.
Ahmed schreibt am 19. Januar 2006 der Außenministerin der Vereinigten Staaten, Condoleezza Rice, einen Brief.
Dass ein Land wie die USA, das dafür eintritt, die demokratischen Rechte unterdrückter Völker zu fördern und zu
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